"Lachen ist angeboren"

Interview mit dem Psychologen und Büttenredner Dr. Albert Esser über eine wichtige menschliche Fähigkeit

Was würde uns fehlen, wenn wir nicht mehr lachen könnten?

Dr. Esser: Uns würde eine wichtige menschliche Fähigkeit fehlen: Die Fähigkeit, unsere Freude und unser Wohlbefinden zu zeigen. Jedem, dem es gut geht, sieht man dies an seinem Lächeln, einer Vorstufe des Lachens, an. Und Lachen findet sich in allen Kulturen, es ist angeboren. Sie sehen es einem Chinesen wie einem Menschen aus Afrika an, dass er lacht. Depressiven Menschen etwa fällt eben dies schwer, ihren Gefühlen, den freudigen wie den traurigen, einen Ausdruck zu verleihen. Sie leiden vor allem darunter, dass sie weder Freude noch Trauer erleben und diese auch nicht zum Ausdruck bringen können.

Kann man Lachen trainieren oder muss das immer spontan sein?

Dr. Esser: Lachen ist zunächst ein sehr spontaner Ausdruck: Ein Gedanke erzeugt ein freudiges Gefühl, und das findet seinen Ausdruck im Lachen. Man kann aber auch – anders herum – sein Lachen pflegen und damit ein bestimmtes Gefühl fördern, so wie man etwa auch mit einer traurigen Musik eine Melancholie pflegen kann. Insofern kann man Lachen trainieren.

In dem Roman „Der Name der Rose“ von Umberto Eco zerstört ein Mönch lieber sein Kloster mitsamt Bibliothek, als dass die darin enthaltene Komödientheorie des Aristoteles der kirchlichen Kontrolle entzogen wird. Wie „gefährlich“, wie subversiv kann Lachen sein?

Dr. Esser: Viele Witze und das damit verbundene Lachen leben von einem Gewinn an neuer Kenntnis, einem Aha-Erlebnis, und das auf humoristische Art: Mir wird dabei etwas klar, bewusst, ich beginne etwas zu verstehen. Zudem kann ich durch den Witz auch bestimmten Bedürfnissen gerecht werden, etwa der Schadenfreude, der Möglichkeit, über Peinliches zu sprechen, auf die politische Macht zu schimpfen oder auch über die eigene Begrenztheit zu lachen. Dadurch dass es humorvoll ist, kann ich die Inhalte auch besser annehmen. Das erklärt sich, wenn man sich den Unterschied zwischen dem Kölner und dem Mainzer Karneval ansieht. Der Kölner lebt eher von einem derben Humor, der viel mit Doppeldeutigkeiten, der Auseinandersetzung zwischen Mann und Frau oder auch mit der menschlichen Sexualität zu tun hat. Die Mainzer Fassenacht ist eher politisch, was sich auch aus ihrer Tradition heraus verstehen lässt, sie richtete sich in ihrem Ursprung unter anderem gegen die militärische und politische Macht, war also und ist geprägt von einem Humor des Volkes über die Politiker. In beiden Richtungen wird aber etwas ausgesprochen, was vorher nicht ausgesprochen werden konnte oder durfte. Wer dabei lacht, versteht etwas neu.

Dr. Albert Esser ist Diplom-Psychologe und leitete bis Juni 2012 die Lebensberatungsstelle des Bistums Trier in Koblenz. Darüber hinaus ist Esser aktiver Karnevalist und Büttenredner in Koblenz.

Fragen: Stefan Schneider, Bistum Trier

Hinweis: Ein Bild von Dr. Esser finden Sie hier

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Text: Stefan Schneider
In: Pfarrbriefservice.de