Kreuzweg ins Licht

Betrachtungen zu den Bildern von Hubertus Bock

[Zu jeder Doppelstation gehören zwei Bibelzitate, die nur in der Download-Datei enthalten sind.]

Der Grundgedanke des Kreuzweges ins Licht ist der, dass die Stationen symmetrisch von außen (1. und 14. Station) nach innen hin (7. und 8. Station) zunehmend heller werden. So leuchtet eine neue Sichtweise in altvertrauter Gestalt auf: Wenn man die Stationen symmetrisch einander gegenüberstellt, geht der Weg von der Dunkelheit von Urteil und Grab hin ins Licht der Begegnung und aufrichtenden Liebe.

1. Station: Urteil – 14. Station: Grab
Die beiden äußersten Stationen des Kreuzweges Jesu stehen sich gegenüber: Das ungerechte Todesurteil, das über ihn am Anfang gesprochen wird, und das Grab, in das er am Ende seines Leidensweges gelegt wird. Die Dunkelheit der beiden Bilder drückt die Dunkelheit von ungerechtem Urteil und Grab aus. Wie nahe doch Urteil und Grab einander sind! Jedes Urteil ist wie ein Grab: eine geschlossene Schublade, die nicht mehr geöffnet werden kann. Endgültig. Vernichtend.

2. Station: Annahme – 13. Station: Abnahme
Auch die 2. und die 13. Station korrespondieren auf erstaunliche Weise miteinander. Das Kreuz, das Jesus am Beginn seines Leidensweges auf seine Schultern nimmt und das für ihn zu einer schier unerträglichen Last werden wird – von diesem Kreuz wird er am Ende abgenommen werden. Der geschundene Leichnam Jesu ruht im Schoß seiner Mutter Maria. So, wie er sein Kreuz annehmen musste als Weg nach Golgotha, so nimmt Maria das ihr aufgegebene Kreuz an: den Tod des eigenen, geliebten Sohnes ohnmächtig mittragen zu müssen. Ein Kreuz auf sich nehmen heißt so oft, den Leidensweg eines geliebten Menschen mitzutragen. Leid und Mit-Leid verbinden sich, werden zur gemeinsamen Passion.

3. Station: Niedergang – 12. Station: Tod
Der erste Fall Jesu unter der Last des Kreuzes lässt schon das unausweichliche Ende erahnen. Noch kann er sich wieder aufrichten, noch tut er es aus eigener Kraft. Für den letzten – endgültigen und unwiederbringlichen Fall in den Abgrund des Todes – wird er sich nur noch dem anvertrauen können, der sich als sein guter Vater im Himmel offenbart hat. Wer fällt, kann niemals tiefer fallen als in Gottes Hände.

4. Station: Liebe – 11. Station: Schmerz
In den allmählich heller werdenden Bildern verbinden sich hier Liebe und Schmerz miteinander. Die Liebe der Mutter Jesu, die ihm auf seinem Kreuzweg begegnet und geleitet, wandelt sich in den Schmerz der absoluten Ohnmacht, Trauer, Fassungslosigkeit und Verzweiflung: Liebe, der ein Schwert mitten durchs Herz fährt. Und umgekehrt: Der Herr, der ans Kreuz genagelt wird, nimmt diesen Schmerz an aus seiner bedingungslosen Liebe zu allen Menschen. Wer aufrichtig liebt, macht sich verletzlich. Schmerz kann ertragen werden, wenn er durch die Liebe eines anderen mitgetragen wird.

5. Station: Mittragen – 10. Station: Ertragen
Auf den ersten Blick scheinen diese beiden Stationen nichts miteinander zu tun zu haben. Auf der einen Seite Simon von Cyrene, dem man einfach so das Kreuz Jesus aufbürdet, weil dieser kaum noch kann. Auf der anderen Seite Jesus kurz vor seinem Tod, der noch seiner Kleider beraubt wird. Bei genauerem Hinsehen korrespondieren aber auch diese beiden Stationen: Es geht um nichts Geringeres als um die Menschenwürde, die von den Mächtigen und Gewalttätern immer wieder mit den Füßen getreten wird. Da muss ein einfacher, unbescholtener Mann etwas tun, was nur einem Verbrecher zugemutet wird, ohne dass er gefragt oder gebeten wird. Und da muss ein ungerecht Verurteilter kurz vor seinem qualvollen Tod auch noch die Schmach ertragen, seiner letzten Würde beraubt zu werden. Wo die Machtlogik der Welt regiert, geht jede Menschlichkeit verloren.

6. Station: Erbarmen – 9. Station: Absturz
Jesus ist am Ende. Er kann nicht mehr. Seinem dritten Fall unter dem Kreuz steht eine Frau gegenüber, die ihm letzte Linderung verschafft. Veronika reicht ihm ein Schweißtuch – eine kleine Geste vielleicht, die aber zu einem großen Zeichen wird: Für jemanden da sein auch noch in der schwersten und trostlosesten Stunde. Die nun augenfällige Helligkeit der Bilder lässt bereits etwas von jener Liebe aufleuchten, die die Nacht des Todes zu brechen vermag: Liebe inmitten der Todeswirklichkeit von Schmerz und Leid ist bereits österliche Liebe.

7. Station: Niederfall – 8. Station: Aufrichten
Wir sind bei den beiden mittleren Stationen des Kreuzweges angekommen. Noch einmal verbinden sich ein Niederfall Jesu unter der Last des Kreuzes mit einer zwischenmenschlichen Begegnung. Dieses Mal ist es aber nicht Jesus, der getröstet wird, sondern er ist es, der den weinenden Frauen von Jerusalem ein zwar mahnendes, darin aber zutiefst tröstendes und aufrichtendes Wort zuspricht: Schaut auf euch und seht, wie ihr zu fallen droht, wenn ihr euch von Gott in eurem Leben abwendet! Noch einmal leuchtet das Licht der frohen Botschaft Jesu auf: Wendet euch eurem guten Vater im Himmel zu mit eurem ganzen Leben, und er wird euch in seine liebenden Arme schließen! Dieses Licht seiner Botschaft erscheint hier in diesen beiden Bildern als zaghaftes Aufleuchten des bald strahlenden österlichen Lichtes. Wer sich ganz in die Hände des himmlischen Vaters vertraut, der kann aus diesen niemals herausfallen. In dieser Zuversicht wird Jesus seinen Weg nach Golgotha bis zum bitteren Ende gehen. In dieser Zuversicht wird er selbst als jene Liebe auferstehen, die stärker ist als der Tod.

Schlussbetrachtung:
Begonnen in der Dunkelheit von Verurteilung und Grab, endete dieser Kreuzweg im Licht von Begegnung, Trost und Erbarmen. Das österliche Licht – so die hoffnungsvolle Botschaft dieser Gegenüberstellungen – durchdringt bereits auch das, was dunkel, trostlos und aussichtslos ist. Gott rettet.
Diese Urerfahrung gewinnt im Namen dessen, der da für uns alle ans Kreuz gegangen und für uns gestorben ist: Jesus – das bedeutet eben: Gott rettet. Mögen wir mitten in eigenen Erfahrungen von Leid, Passion und Tod die Kraft haben, auf ihn zu blicken und so durch jenes Licht getröstet werden, das uns allen einst verheißen ist. Denn letztlich ist jeder Kreuzweg ein Weg ins Licht.

Christian Bock, In: Pfarrbriefservice.de

 

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Text: Christian Bock
In: Pfarrbriefservice.de