Gott der Liebe – Gott der Barmherzigkeit

Christentum und Islam im Vergleich (22)

Während das Christentum sich als die Religion der Liebe bezeichnet, ist für die Muslime der Islam die Religion der Barmherzigkeit.

Islam: Allah kann keine Gefühle haben, die den menschlichen vergleichbar wären

Im Islam ist Gott nicht nur der Allmächtige, sondern auch der völlig Andere. Deshalb kann Er keine Gefühle gegenüber Seiner Schöpfung haben, die den menschlichen vergleichbar wären. Der Muslim soll sich Gott bedingungslos unterwerfen, ohne nach dem Sinn Seiner Gebote zu fragen. Es können im Islam nicht irgendwelche Diskussionen darüber geführt werden, ob Gott für irgendetwas verantwortlich gemacht werden kann. Es gibt keine Rechtfertigung Gottes angesichts des Übels in der Welt, also keine Theodizee-Debatte. Falls im Islam von den Vorstellungen, den Bildern, die sich Menschen von Gott machen, die Rede sein kann, geschieht das immer in der Haltung der unterwürfigen Hinnahme von dem, was die Religion lehrt.

Christentum: Menschwerdung Gottes zeigt seine Liebe

Auch aus der Bibel, aus der ja der Islam weitgehend schöpft, kann man dieses Götterbild herauslesen. Es ist aber nur eine Interpretation, die von der Menschwerdung des Sohnes Gottes überholt wird. Gott ist nicht nur wie ein gütiger Herrscher barmherzig, sondern er will dem Menschen so nahe wie möglich sein – aus Liebe. Von Weihnachten aus erstrahlt die Schöpfung in einem neuen Licht. So kalt und lebensfeindlich der Weltraum auch ist, das Universum mit unserem Planeten ist nicht einfach so in die Wirklichkeit geworfen, sondern entspringt der Liebe Gottes, die im Menschen ein antwortendes Gegenüber hat – nicht als Sklave der Gebote, sondern eingeladen zur Liebe. 

Islam als Religion des barmherzigen Gottes

Im Islam gibt es allerdings zu dem Bild des uneingeschränkten Herrschers eine Entsprechung zu der göttlichen Liebe, die Jesus verkündet hat. Islam ist die Religion zwar nicht des liebenden, aber des barmherzigen Gottes. Das Wort Barmherzigkeit trifft man 114 Mal im Koran. Kaum ein anderes Wort könnte besser die Religiösität der Muslime zum Ausdruck bringen:
Nur der Starke kann Barmherzigkeit zeigen – der Reiche gegenüber dem Armen, der Richter gegenüber dem Angeklagten, der Gläubiger gegenüber dem Schuldner. So zeigt Gott, der ja vollkommen ist, sein Erbarmen gegenüber der Schöpfung. Muslime sind zentriert auf Gott. Es gibt keinen Bereich in ihrem Leben, der außerhalb des göttlichen Zugriffs läge. Aber der Einfluss, den Gott auf das menschliche Leben ausübt, ist im Islam die Barmherzigkeit. „Euer Herr hat Sich Selbst Barmherzigkeit vorgeschrieben“, heißt es in Sure 6,54. In einem Hadis ist zu lesen, dass Gottes Barmherzigkeit über seinen Zorn die Oberhand gewonnen hat. Diese Aussage überrascht, weil Gott unveränderlich ist. Aber manche muslimische Theologen sagen, dass der Ärger nur ein vorübergehender Zustand ist, während die Barmherzigkeit zum Wesen Gottes gehört.

Dr. Eckhard Bieger und Vladimir Pachkov, In: Pfarrbriefservice.de

Die beiden Jesuiten Dr. Eckhard Bieger, Frankfurt, und Vladimir Pachkov, Moskau, beleuchten in einer mehrteiligen Reihe auf Pfarrbriefservice.de Unterschiede und Gemeinsamkeiten im Christentum und im Islam. Sie wollen damit das Gespräch zwischen Christen und Muslimen fördern.

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Text: Dr. Eckhard Bieger, Vladimir Pachkov
In: Pfarrbriefservice.de