Glocken und der Ruf des Muezzins

Christentum und Islam im Vergleich (36)

Glocken sind wie andere Musikinstrumente „tonangebend“. Ein Geläut hat Glocken unterschiedlicher Größe, die aufeinander abgestimmt sind. Oft ist die dem Ohr wohlklingende Terz zu hören.

Glocken rufen nicht nur zum Gottesdienst, sie haben auch, bevor jeder Bürger sich eine Uhr leisten konnte, die Stunden angegeben – so viele Schläge, so viele Stunden. Oft wurden und werden die Viertelstunden so angezeigt. Damit werden die Glocken nicht nur dem kirchlichen Leben zugeordnet.

Glocken mit ägyptischer Tradition

Die ersten Mönche haben die Glocken aus der ägyptischen Tradition übernommen. Bis heute kündigen sie den Mönchen und Nonnen, die in Werkstätten, Schreibstuben oder auf den Feldern arbeiten, die gemeinsamen Gebetszeiten an. Es waren zuerst kleine Glocken. Als ab dem Mittelalter größere Kirchen mit massiven Türmen gebaut wurden, fanden die Glocken im Turm ihren Platz. In der Romanik wurden die Türme auch als Abwehr der vom Abend her kommenden Dämonen gesehen. Um die Kraft von Gewittern zu mindern, wurden Glocken bei Unwettern geläutet. Die Glocken wurden wegen ihres Bezuges zur Liturgie geweiht und erhielten auch Namen, oft von Evangelisten.

Zeichen für die Kranken

Die Glocken geben auch den Kranken, die nicht am Gottesdienst teilnehmen können, die Möglichkeit, sich auf das Geschehen im Kirchenraum zu beziehen. Denn wenn kurz vor Beginn des Gottesdienstes und bei der Wandlung geläutet wird, gilt das als Zeichen für die Kranken in den Häusern, dass der Gottesdienst beginnt bzw. einen entscheidenden Moment erreicht hat. Das Glockenspiel leitet sich nicht von den Turmglocken her, sondern von einer Reihe kleiner Glocken, die auf einem Holz befestigt waren und als Musikinstrument im Gottesdienst erklangen.

Im Islam ruft der Muezzin zum Gebet

Der Islam hat anstelle der Glocken den Ruf des Muezzins gesetzt. Mohammed hatte fünf Gebetszeiten über den Tag verteilt, zu denen öffentlich eingeladen werden soll. Er hat nicht die Glocke übernommen, sondern die Vision eines Gefährten aufgenommen. Es war der befreite Sklave Bilal al-Habaschi, der ihm auch den viermaligen Ruf „Allahu akbar“, Gott ist der Allergrößte, vorgeschlagen hat. Bilal war auch der erste Muezzin. Wie im Christentum die Glocke den Tod eines Menschen anzeigt und auch bei der Übertragung der Leiche auf den Friedhof erklingt, ist es im Islam der Ruf des Muezzins. Das Läuten ihrer Glocken wurde den Christen in islamischen Ländern verboten. Während die Glocken nicht durch technische Mittel in ihrem Klang verstärkt werden, erklingt der Ruf des Muezzins, eines Bediensteten der Moschee, nicht mehr vom Minarett, sondern aus einem Lautsprecher.

„Der Engel des Herrn“

Neu in der Gebetspraxis des Islam ist, dass der Muezzin nicht nur, wie die Glocken, in den Gebetsraum ruft, sondern zum Gebet einlädt, wo immer sich der Muslim gerade aufhält. Diese Praxis hat Franziskus bei seiner Friedensmission 1219 kennengelernt und in den Westen mitgebracht. Auf ihn geht die dreimalige Gebetszeit des „Engel des Herrn“ zurück, zu der morgens, mittags und abends die Glocken läuten. Das Mittagsläuten um 12 Uhr ist auch eine Einladung zur Hauptmahlzeit.

Dr. Eckhard Bieger und Vladimir Pachkov, In: Pfarrbriefservice.de

Die beiden Jesuiten Dr. Eckhard Bieger, Frankfurt, und Vladimir Pachkov, Moskau, beleuchten in einer mehrteiligen Reihe auf Pfarrbriefservice.de Unterschiede und Gemeinsamkeiten im Christentum und im Islam. Sie wollen damit das Gespräch zwischen Christen und Muslimen fördern.

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Text: Dr. Eckhard Bieger und Vladimir Pachkov
In: Pfarrbriefservice.de