Frohgemut durchs Leben

Glaubenszeugnis: Gudrun Lindner über die Freiheit eines Christenmenschen

Ungläubig zu sein, ist in den Augen von Muslimen eine Schande. Ungläubig zu sein, ist in meinen Augen eine Tragik. Zum eigenen Glauben befragt, sollte jeder Christ und jede Christin in der Lage sein, ein Kurzstatement zu geben: »Ich glaube an Gott, weil ...« Mein Statement heißt: Ich glaube an Gott, weil weder der wissenschaftliche Marxismus-Leninismus noch der idealistische Sozialismus die Lebensfragen meiner Jugend beantworten konnten. Deshalb habe ich mich dem Dreieinigen Gott anvertraut. Inzwischen sind viele Jahre vergangen. Ich bin durch frohe und leidvolle Stunden gegangen. Im Beruf und in den Ehrenämtern für meine evangelisch-lutherische Kirche erlebe ich gute und schwierige Zeiten. Mein Glaube jedoch hilft mir, in der Freiheit eines Christenmenschen froh und zuversichtlich zu leben. Die alten Worte Dienen und Freimütigkeit sind mir Leitworte geworden, die mir helfen, verantwortlich und angstfrei zugleich zu sein.

Mit Gott reden?

Mein Vater kam nach vierjähriger russischer Gefangenschaft physisch erschöpft und sehr schweigsam zurück. Bei uns zu Hause gab es kein Tischgebet und keine Morgenandacht. Aber der Vater sagte mit bestimmter Stimme: »Unsere Kinder werden getauft und konfirmiert.« Mehr sagte er nicht, aber auch nicht weniger. Zur Konfirmandenrüstzeit erlebte ich durch die damaligen Jugendmitarbeiterinnen Gerda Knaupe und Katharina Harder das erste Mal freies Gebet. In mir wurde eine Saite angeschlagen. An diesen Gott wollte ich mich heran pirschen. Wollte wissen, ob das wirklich geht – mit ihm reden. Ich sehe mich noch mit schwarzem Minikleid und den ersten Dederon-Strümpfen bibbernd im Konfirmationsgottesdienst sitzen. Die Narzissen in meiner Hand zitterten, als ich Gott zuflüsterte: »Wenn du mich gebrauchen willst – ich will.«

"Ohne Gott leben, heißt sich selbst Götter machen"

Ganz einfach war es nicht. Weder dem Schuldirektor gefiel diese sehr persönliche Entscheidung, und vermutlich dem Satan auch nicht. Also hieß es, hinein in die Auseinandersetzungen – in die Auseinandersetzungen in mir selbst und in die in den Gesprächen: kommunistische Gleichheitsideale und Bergpredigt, Schöpfungsgeschichte und Evolution, Leben im Sein aus Bewusstsein oder Leben aus Glauben zur Ewigkeit. Immer deutlicher sind für mich zwei Seiten hervorgetreten. Ohne Gott leben, heißt sich selbst Götter machen. Denn jeder Mensch füllt die Gottesfrage für sich selbst aus – mit Gott oder mit Göttern.

Und: Unser Gott ist Gott. In dreieiniger Weise füllt er den Erdkreis und das einzelne Herz, ist er furchtbar und allmächtig und doch auch barmherzig und versöhnend. Im Geist schenkt er uns Erkenntnis und durch den Kreuzestod Jesu ist die Welt grundlegend gerettet. Diese Dreieinigkeit Gottes ist für mich das Zentrum des Glaubens – dreifaltig und unteilbar zugleich.

Es gibt auf Erden keinen wirklichen Boss

Dabei ist für mich als evangelische Christin die Rechtfertigung aus Glauben, die mich zur Freiheit führt, ein beglückendes Moment. Die Freiheit eines Christenmenschen, durch die wir keinem, aber auch keinem Menschen untertan sind und doch in Liebe wiederum jedermann.

Es gibt auf Erden keinen wirklichen Boss, sondern nur Ordnung. Und jede Ordnung in der Gesellschaft und im Beruf und in der Institution Kirche hat den Menschen zu dienen. Tut sie es nicht, darf ich in großer Freiheit versuchen, Veränderungen zu bewirken. Ist es so, kann ich in ihrem Rahmen arbeiten, egal ob als Geschäftsführerin oder Mitarbeiterin.

Aber ohne meinen Glauben, ohne diese dadurch gewonnene Freiheit, würde ich vermutlich meinen Beruf als Betreuerin hinschmeißen, wäre ich mindestens einmal schon aus der Kirche ausgetreten, ängstigte ich mich um die Zukunft meiner Kinder und verzweifelte wohl über den Tod meines Sohnes.

Ich glaube an Gott, weil er meine Lebensfragen beantwortet und mich befähigt, das Leben frohgemut zu durchwandern.

Gudrun Lindner
aus: Uwe von Seltmann (Hg.): Warum denn glauben...?. 52 persönliche Bekenntnisse. Evangelische Verlagsanstalt GmbH, Leipzig 2006.

Gudrun Lindner ist Synodalpräsidentin der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens

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Das Schwerpunktthema für Oktober 2008

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Text: Gudrun Lindner
In: Pfarrbriefservice.de