Eine Frage der Moral: Wer schafft eine neue Kultur in der Wirtschaft?

Der Begriff „Humankapital“ wurde unlängst zum Unwort des Jahres gekürt. Die Begründung der Jury lautete: „Der Gebrauch dieses Wortes aus der Wirtschaftsfachsprache breitet sich zunehmend auch in nichtfachlichen Bereichen aus und fördert damit die primär ökonomische Bewertung aller denkbaren Lebensbezüge, wovon auch die aktuelle Politik immer mehr beeinflusst wird.“

Die Jury hat richtig gewählt. Wir müssen die Verbreitung der Auffassung bekämpfen, dass auch der Mensch als Mittel genutzt werden kann. Richtig ist, dass jeder Mensch Zweck an sich ist. Auf ihn muss alles ausgerichtet sein. Sein Wohl und die Würde von ihm und der ganzen Menschheit müssen im Blick sein, auch bei wirtschaftlichen Entscheidungen. Die Degradierung zum Werktätigen oder zum Manager, die solange gebraucht wird, wie die Ergebnisse stimmen, ist eine bedenkliche Entwicklung, gegen die sich spätestens seit Marx und seit der päpstlichen Enzyklika „rerum novarum“ gewichtige Stimmen erheben.

Wir stehen vor einem massiven Vertrauensverlust in das Gute und Richtige. Es zu erringen ist manchen nicht mehr die denkerische und emotionale Mühe wert. Und sobald auch nur der Anschein entsteht, man müsse für die Treue zum Guten und Richtigen Nachteile in Kauf nehmen, beginnt der Verkauf der eigenen Seele. Der einzige Grund zum Kämpfen scheint manchen zu sein, nur für sich zu kämpfen. Insofern gehören „Humankapital“ oder „Ich-AG“ zwar zum Zeitgeist, aber kaum zu jener Inspiriertheit, die den Menschen erst zum Menschen macht.

Wer nur für sich selber kämpft, übersieht die Ressourcen, die er nur wecken kann, wenn er mit anderen zusammenarbeitet. Wenn Arbeiter und Manager sich wie im modernen Sklavenhandel anbieten müssen, stimmt etwas nicht an den Grundlagen unseres Zusammenlebens. Arbeit ist, ethisch betrachtet, die Pflicht zum Angebot des eigenen Potenzials. Daraus wird eine Zusammenarbeit mit anderen, die Kräfte und Fähigkeiten anderer anregt. Ich habe nie nur für mich Verantwortung, sondern trage sie immer auch für andere.

Wer will schon einen Mitarbeiter haben, der ausschließlich die Arbeit im Unternehmen als Zweck sieht, seine eigenen betriebsfremden persönlichen Ziele zu erreichen? Wer andere nur sieht als Beförderer der eigenen Karriere, hat nicht den gemeinsamen Weg und den teamerrungenen Erfolg im Focus und wird – auf diese Weise latent unkonzentriert durch die Sorge um sicher selber – dem Unternehmen schaden.

Eine neue Kultur in der Wirtschaft wird von denen kommen, die selbstvergessen und opferbereit den Zielen des gesamten Unternehmens dienen. Davon gibt es allen Unkenrufen zum Trotz noch sehr viele. Ein sittlich verantwortlich handelndes Unternehmertum vergisst nicht, wer alles am Erfolg mitgewirkt hat. Prämienzahlungen und Sonderurlaube einer Belobigungskultur gehören dazu ebenso wie eine offene Diskussion über die Beteiligung aller an ertragsarmen schlechteren Zeiten. Eine Kultur der Priorität der Wahrheit und des Einbezugs in Entscheidungsprozesse bringt neuen Schwung ins Betriebsgefüge.

Bruder Paulus Terwitte

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Das Schwerpunktthema für Oktober 2007

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Text: Bruder Paulus Terwitte
In: Pfarrbriefservice.de