Ein neuer Anfang

Der Glaube an Gott hilft, immer wieder loszulassen

Die Zeiger der Uhr rücken auf Mitternacht zu. Mit Freunden verbringe ich den Silvesterabend. Wir essen, trinken, erzählen. Zur Jahreswende aber haben wir etwas Besonderes vor. Wir gehen hinaus in die Nacht, hinüber zur nahegelegenen Kirche. Ich habe den Schlüssel organisiert, der „heilige Raum“ gehört uns in diesen Minuten ganz allein. Ein bewegender Jahreswechsel. Wir verlassen symbolisch das alte Jahr, indem wir die Kirchentüre hinter uns schließen. In der Stille der Kirche erleben wir den Wandel vom Alten zum Neuen. Im Hintergrund das Läuten der Mitternachtsglocken, das Krachen und Zischen des Feuerwerks. Hinter den Fenstern der Kirche ahnen wir das Leuchten. Es dauert eine ganze Weile, bis es auch draußen wieder ruhiger wird. Irgendwann brechen wir auf. Ein tolles Gefühl, als wir die Kirchentür aufstoßen: Als öffnete sich die Tür zu etwas ganz Neuem – als wäre das, was vor uns liegt, ein neues Land, ein neuer Anfang des Lebens.

Für mich ist das alljährlich eine wunderschöne Vorstellung: Ich darf wieder neu anfangen. Real mag das zwar Unsinn sein, weil das Leben ja kontinuierlich weitergeht. Aber die Symbolik des Jahreswechsels verstehe ich so. Ich darf abschließen, etwas hinter mir lassen – und neu anfangen. Dabei ist mir eine Zeit der Stille, ein Moment mit Gott am Silvesterabend sehr wichtig: Denn der Glaube an Gott ist es, der mich im Leben immer wieder loslassen und neu anfangen lässt.

Loslassen

Loslassen ist nicht leicht. Im letzten Jahr habe ich das persönlich erlebt. Eine berufliche Veränderung stand an. Nach zehn Jahren wechselte ich meinen Arbeitsplatz in meiner Kirche. Die Gemeinde, mit der ich als Priester gelebt hatte, war mir ans Herz gewachsen. Miteinander haben wir getrauert – und doch war mir klar: Die Veränderung ist wichtig, es wäre nicht gut, zu bleiben. Denn irgendwann droht innerer Stillstand, wenn alles bleibt, wie es ist.

Aber auch wenn mir das im Kopf klar ist – oft genug will ich nicht loslassen. Ich will Menschen nicht loslassen, die ich mag; wohltuende Zeiten, Orte und Situationen will ich festhalten und nicht vergehen lassen.

Und genauso kann ich manches nicht loslassen, obwohl ich es so gerne möchte: Ärger, Schmerz und Traurigkeit schleppe ich manchmal wie eine Last mit mir herum. Verluste, Niederlagen und eigene Fehler nagen an mir.

Die Jahreswende in der Kirche hat mich daran erinnert: Ich glaube an einen Gott, der mir erlaubt und der mir hilft, Vergangenes loszulassen. Gott vergibt und sagt mir: Lass hinter dir, was nicht gut gewesen ist. Es ist vorbei.

Und Gott bewahrt: Das Schöne, Kostbare und Wertvolle geht nicht verloren. Ich bin daran gewachsen und gereift, trage es in mir als bleibenden Schatz.

Neu anfangen dürfen

So schließe ich die Tür des Vergangenen; lasse beruhigt los; würdige das, was war; und nehme innerlich mit, was bleibt. Und zugleich öffne ich die Tür zu etwas Neuem und denke an ein Wort von Cicero: „Höre nie auf, anzufangen!“ Das ist es, was mich der Anfang eines neuen Jahres lehrt: Solange ich lebe, darf ich anfangen. Jetzt, wo der Alltag wieder beginnt, und an jedem Tag in diesem neuen Jahr.

mit freundlicher Genehmigung:
Autor: Klaus Pfeffer, Bistum Essen, für die Katholische Hörfunkarbeit für Deutschlandradio und Deutsche Welle, Bonn, www.dradio-dw-kath.eu. In: Pfarrbriefservice.de

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Text: Klaus Pfeffer
In: Pfarrbriefservice.de