Die Gegenwart Gottes entdecken
Thomas Mertons Weg zu Achtsamkeit, Kontemplation und spiritueller Erneuerung
Wer kennt nicht das Gefühl, dass das wahre Leben an einem vorbeizieht, während man scheinbar in täglichen Sorgen und Verpflichtungen „gefangen“ ist? Thomas Merton zeigt uns einen Weg, wie wir bewusster im Hier und Jetzt leben können – einen Weg, der zu mehr Klarheit, Frieden und einer tieferen Verbindung mit uns selbst führt. Ohne komplizierte Übungen oder schwer zugängliche Konzepte beginnt dieser Weg mit einem einfachen Schritt: Achtsamkeit. Es geht darum, den gegenwärtigen Moment aktiv wahrzunehmen und hierbei zu erspüren, was gerade da ist. Wer sich darauf einlässt, kann entdecken, wie Achtsamkeit nicht nur innere Ruhe, sondern auch eine tiefere spirituelle Erfahrung ermöglicht.
Thomas Merton, Trappistenmönch und Mystiker, gilt als einer der bedeutendsten spirituellen Denker des 20. Jahrhunderts. Seine Schriften bieten wertvolle Einsichten, wie wir uns in Achtsamkeit üben und inneren Frieden erlangen können. Zentrale Themen in Mertons Werk sind das Leben im gegenwärtigen Moment und Kontemplation als Übung, das Ego loszulassen und zum wahren Selbst zu finden.
Geboren 1915 in Frankreich, wuchs Merton in Europa und in den USA auf. Nach einer bewegten Jugend trat er 1941 in den Trappistenorden ein. Im Kloster lernte er die Kraft von Stille, Gebet und Kontemplation kennen. In zahlreichen Büchern hat er seine Erfahrungen mit der Kontemplation als Weg zur Selbst-Transzendenz aufgeschrieben. Merton war auch offen für die spirituellen Lehren aus dem Buddhismus, Hinduismus und Taoismus. Dennoch blieb er stets in der christlichen Tradition verwurzelt. Bis zu seinem Tod 1968 und danach inspirierte er mit seiner Suche nach spiritueller Tiefe Menschen auf der ganzen Welt.
Achtsamkeit und das Leben im Jetzt
Für Merton war der gegenwärtige Moment mehr als nur eine flüchtige Erfahrung; er sah darin eine tiefe spirituelle Praxis. Das „Jetzt“ betrachtete er als einen heiligen Raum, in dem wir jederzeit die Möglichkeit haben, bewusst wahrzunehmen, was in uns und um uns geschieht. Wenn wir uns wie Kinder darauf einlassen, ohne voreingenommen zu sein oder vorschnell zu urteilen, können wir die Gegenwart Gottes spüren. Merton bezog sich hierbei auch auf die Worte Jesu: „Wenn ihr nicht umkehrt und wie die Kinder werdet, werdet ihr nicht in das Himmelreich kommen“ (Mt. 18, Verse 2,3). Er verstand diese Aufforderung als Einladung, die Welt mit einer unschuldigen und offenen Haltung zu betrachten – frei von Bewertung und Urteil. Für Merton war dies eine Art spirituelles „Umkehren“, die Rückkehr zu einem Zustand der reinen, unvoreingenommenen Wahrnehmung, die das Wesen echter Kontemplation ausmacht.
Mertons Reflexionen über das „Geschenk des Augenblicks“ weisen durchaus Parallelen zu modernen Achtsamkeitslehren auf, wie etwa Eckhart Tolles „Leben im Jetzt“, jedoch rückt Mertons Ansatz die Kontemplation in den Mittelpunkt.
Kontemplation: Der Weg zur inneren Stille
Kontemplation war für Merton der tiefste Ausdruck des geistlichen Lebens. Während Achtsamkeit das Bewusstsein für den Moment schärft, führt die Kontemplation in die absichtslose Stille, die das Ego transzendiert und uns mit der Gegenwart Gottes verbindet. Kontemplation ist für Merton ein Weg, der über das rationale Denken hinausgeht und in die direkte Erfahrung des Göttlichen führt. Dieser Weg führt zu einem Zustand, in dem äußeres Leben und innere Gedanken zur Ruhe kommen, um Platz für die göttliche Realität zu schaffen.
Für Merton war Kontemplation daher nicht nur eine Übung, sondern ein Lebensweg. Es geht darum, die Illusionen des Egos loszulassen und sich in der Stille Gott hinzugeben. In dieser Stille offenbart sich eine Wahrheit, die jenseits von Worten oder Konzepten liegt und nur in der unmittelbaren Begegnung mit Gott erfahren werden kann. Merton wies in seinen Büchern darauf hin, dass Kontemplation uns letztlich zum wahren Selbst führt, frei von allen Ablenkungen.
Die Auferstehung und spirituelle Erneuerung
Die Auferstehung Jesu symbolisierte für Merton diesen Prozess der Selbst-Transzendenz und der spirituellen Erneuerung. Jesu Tod am Kreuz steht auch für das Sterben des Egos und der alten Identität, die an weltliche Sorgen gebunden ist. Die Auferstehung wiederum ist das Erwachen zu einem neuen Leben, das sich aus einer tiefen Verbundenheit mit dem Göttlichen speist.
Paulus’ Lehre vom „alten“ und „neuen“ Menschen (Epheser 4:22–24) kann dahingehend interpretiert werden. Der „alte Mensch“, der vom Ego bestimmt ist, muss abgelegt werden, damit der „neue Mensch“, der in Gottes Bild erneuert wird, zum Vorschein kommt.
Nichts anderes dürfte auch Papst Franziskus meinen, wenn er in seiner Enzyklika „Dilexit nos“ zur Rückkehr zum Herzen als Mittelpunkt menschlicher Identität ermutigt. Er betrachtet das Herz als Sitz wahrer Selbst- und Gotteserkenntnis, als Quelle aufrichtiger Beziehungen und als Grundlage für eine authentische Spiritualität.
Für Thomas Merton ist es ein ständiger, ein lebenslanger Prozess, in dem die zahlreichen Facetten des Ego immer wieder neu losgelassen werden, um zum wahren Selbst in Christus zu finden. Diese spirituelle Erneuerung gleicht einer inneren Auferstehung, die es uns ermöglicht, in Verbindung mit Gott zu leben, und zwar schon heute, genauer: schon jetzt.
Christian Schmitt, In: Pfarrbriefservice.de
Weiterführende Literatur:
Merton, Thomas. Christliche Kontemplation. Ein radikaler Weg der Gottessuche. Claudius.
Kontemplation als eine innere Reise, die zur unmittelbaren Begegnung mit Gott führt. Merton sieht diesen Weg als radikale Praxis, die das Ego überwindet und uns in die stille Gegenwart Gottes eintauchen lässt, jenseits von Dogma und rationalem Denken.
Merton, Thomas. Keiner ist eine Insel. Betrachtungen über die Liebe. Patmos.
Über die menschliche Sehnsucht nach Liebe und innerer Freiheit, die nach Merton nur durch eine tiefe Verbindung zu Gott und sich selbst zu erreichen ist. Wahre Liebe existiert nicht in Isolation, sondern in einem authentischen Leben, das sich dem Mitgefühl und der Gemeinschaft mit anderen Menschen öffnet.
Tolle, Eckhart. Jetzt! - die Kraft der Gegenwart. Arkana.
Tolles Werk über das Leben im gegenwärtigen Moment und Achtsamkeit als spirituelle Praxis.
Rohr, Richard. Pure Präsenz. Claudius.
Richard Rohr beschreibt den Weg zur Gottesbegegnung durch Achtsamkeit und das bewusste Erleben des gegenwärtigen Augenblicks. Er betont, dass wahre Präsenz die Grundlage für spirituelle Transformation ist, da sie uns öffnet für das Göttliche im Hier und Jetzt und uns zu einem authentischeren Leben führt.
de Mello, Anthony. Der springende Punkt. Wach werden und glücklich sein. Herder.
Anthony de Mello lädt dazu ein, die eigene Wahrnehmung zu schärfen und innere Freiheit zu erlangen, indem man sich von festgefahrenen Denkmustern und falschen Erwartungen löst. De Mello zeigt, dass wahres Glück und spirituelle Erfüllung erst möglich werden, wenn wir lernen, achtsam im Moment zu leben und unsere wahren Bedürfnisse zu erkennen.
Datei-Info:
Dateiformat: .rtf
Dateigröße: 0,02 MB
Sie dürfen diesen Text für alle nichtkommerziellen Zwecke der kirchlichen Öffentlichkeitsarbeit (z.B. Pfarr-/Gemeindebrief, Plakat, Flyer, Website) sowie für Unterrichtszwecke* nutzen. Die Nutzung ist in dem beschriebenen Rahmen honorarfrei. Sie verpflichten sich den Namen des Autors/-in, als Quelle Pfarrbriefservice.de und ggf. weitere Angaben zu nennen.
*) Ausführliche Infos zu unseren Nutzungsbedingungen finden Sie hier.
Wir freuen uns über die Zusendung eines Belegs an die Redaktionsanschrift.
Beispiel für den Urhebernachweis, den Sie führen müssen, wenn Sie den Text nutzen
Text: Christian SchmittIn: Pfarrbriefservice.de