Diagnose: Makula-Degeneration

Interview mit einer Betroffenen, die mit 34 Jahren den Grund ihrer Sehschwäche erfuhr

Man sieht nicht, dass Cordula Weidemann schlecht sieht. Zumindest nicht auf den ersten Blick. Das macht das Leben manchmal komplizierter, als es sein müsste. Grund ihrer Sehbehinderung ist eine Makula-Degeneration, eine Beschädigung der Netzhaut. In ihrem Fall sind gleich beide Augen betroffen und eine Heilung unmöglich. Zu 70 Prozent schwerbehindert, steht in ihrem Ausweis. Elfriede Klauer sprach mit Cordula Weidemann darüber, wie sich mit dieser Sehbehinderung leben lässt.

Seit wann wissen Sie, dass Sie an einer Augenerkrankung leiden?

Meine Makula-Degeneration wurde 1996 festgestellt. Bei einer Zugfahrt hatte ich gemerkt, dass ich die kleine Schrift eines Kreuzworträtsels nur verschwommen sehen konnte. Erst als ich die Zeitung buchstäblich vor der Nase hatte, war überhaupt etwas zu erkennen.

Was ging damals in Ihnen vor, als Sie erfuhren, dass Sie von nun an mit einer Makula-Degeneration leben müssen?

Was mit meinen Augen los war, erfuhr ich in einer Augenklinik. Der Professor dort teilte mir nach langen Untersuchungen mit: „Sie haben eine Makula-Degeneration in beiden Augen. Man kann da nichts machen. Sie müssen damit leben.“ – Ich war erschüttert, denn die Ärzte hatten mir wohl ein Bild meiner kaputten Netzhaut gezeigt, aber was eine Makula-Degeneration bedeutet, erfuhr ich erst bei meiner Augenärztin, die mich in die Klinik überwiesen hatte.

Was hat sich in Ihrem Leben aufgrund dieser Diagnose geändert?

In meinem erlernten Beruf als Feinmechanikerin kann ich nicht mehr arbeiten. Das spielte aber nach der Diagnose keine Rolle, weil ich zwei Jahre zuvor die Leitung in einem Bildungshaus des Bistums Erfurt übernommen hatte.

Ohne Hilfsmittel kann ich nicht mehr lesen. Die Augenärztin verschrieb mir eine Lupenbrille. Für die Büroarbeit benutze ich mittlerweile ein Bildschirm-Lesegerät, um beispielsweise Formulare auszufüllen. An meinem Computer ist ein Monitor mit den Ausmaßen eines großen Fernsehers angeschlossen. Außerdem gibt es eine Spezial-Tastatur und Software für Sehbehinderte und Blinde. So kann ich Texte vergrößern oder sie mir vorlesen lassen. Diese Büroausstattung habe ich nach einem Antrag bei der Deutschen Rentenversicherung erhalten.

Wenn ich unterwegs bin – im Straßenverkehr viel vorsichtiger als früher –, trage ich immer eine Leuchtlupe bei mir, um Fahrpläne oder Preisschilder entziffern zu können. Große Probleme bereiten auch Schriftzeichen mit unruhigem Hintergrund, wie manche Speisekarten etwa, und auch LED-Anzeigetafeln an Haltestellen und in Bahnhöfen.

Was macht Ihnen an dieser Krankheit zu schaffen?

Meine Möglichkeiten sind im Vergleich zu früher eingeschränkt. Statt Büchern „lese“ ich heute Hörbücher. Ich dürfte nicht Auto und kann kein Fahrrad fahren. Alle Sportarten mit Bällen – Fußball, Handball, Tischtennis, Badminton – sind unmöglich. Handarbeit strengt sehr an und ermüdet mich schnell, zum Beispiel einen Knopf anzunähen. Für die Pediküre gehe ich zu einer Kosmetikerin. Außerdem bin ich als Sehbehinderte oft auf fremde Hilfe angewiesen und stoße nicht immer auf Verständnis.

Gibt es auch Positives zu berichten?

Die Makula-Degeneration hat mich nicht davon abgehalten, mich zu verlieben und zu heiraten. Dieses Jahr feiern wir unseren siebten Hochzeitstag... Überhaupt gibt es neben meinem Mann immer wieder Menschen, die mir Mut machen, wenn ich selbst zaudere. Und wie jüngst die sechsjährige Tochter meiner Freundin zu mir sagte: „Du kannst zwar nicht gut sehen, bist aber trotzdem ein feiner Kerl.“ – Das ist mir wichtiger als alle Technik, die es, Gott sei Dank, gibt.

Wie erleben Sie den Kontakt zu anderen Menschen, die nicht sehbehindert sind?

Es ergeben sich manchmal nette Gespräche mit Kunden oder Verkäuferinnen, wenn ich mit meiner Lupe durch ein Geschäft gehe. Bitte ich aber Leute, mir ein Etikett oder Preisschild vorzulesen, werde ich oft angeschaut, als sei ich eine Analphabetin. Ich muss meine Situation immer wieder erklären, das macht keinen Spaß.

Weil ich auch auf Entfernung schlecht sehe, kann ich kaum auf Grüße oder Winken von Leuten reagieren, die auf der anderen Straßenseite gehen. Das stößt manchen vor den Kopf, wenn sie nicht wissen, warum ich nicht zurückgrüße.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft?

Ich wünsche mir, dass die Medizin Menschen mit meinem Typ der Makula-Degeneration irgendwann helfen kann. Bis dahin hoffe ich auf das Verständnis meiner Mitmenschen.

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Text: Elfriede Klauer
In: Pfarrbriefservice.de