„Denkt quer!“

Die Radikalität christlicher Botschaft

Es gibt ein biblisches Wort, das wie eine Fanfare durch das älteste Evangelium, das Markusevangelium schallt. Es ist das erste Wort, das uns von Jesus wörtlich überliefert wird: „Kehrt um!“. (Mk 1,15). Im griechischen Wortlaut heißt es: „metanoeite“, was so viel bedeutet wie: „Denkt um! Denkt anders! Denkt quer!“ Wenn es um unser wahres Glück, wenn es um den „Himmel“ geht, so ermutigt uns Jesus, allzu vertraute „Trampelpfade“ zu verlassen, eingefahrenes, willfähriges Denken zu meiden, wenn es uns letztlich ins „Aus“ führt, mag es noch so vertraut und „logisch“ erscheinen. 

In der Tat klingt es sehr seltsam, wenn Jesus uns auffordert: „Wenn dich aber dein rechtes Auge verführt, so reiß es aus und wirf’s von dir. Es ist besser für dich, dass eins deiner Glieder verderbe und nicht der ganze Leib in die Hölle geworfen werde.“ (Matth 5,29). Dieser Text ist nicht „wörtlich“ zu verstehen. Was für einen Zweck hätte denn eine solche Verstümmelung, es wäre eine Schändung des uns von Gott geschenkten Körpers. Nein, Jesus benutzt hier jene bildhafte Sprache, so wie sie im Orient üblich war. In diesem zugespitzten Bild geht es um die „Entschiedenheit“, sich mutig und entschlossen von allem zu verabschieden, was uns von Gott trennen könnte. 

Was auf uns wartet, ist die Liebe

Natürlich kann das, was mich von Gott abbringen könnte, etwas sein, was mir bisweilen ganz vertraut ist, was einfach „zu mir gehört“, so wie mein Auge, mein Arm, mein Bein, woran ich mich so gewöhnt habe. Sich davon zu trennen, würde natürlich sehr weh tun, es sträubt sich alles dagegen. Jesus fordert uns auf, in solch einer Entscheidungssituation beherzt und mutig den Schritt zu wagen, einen Entschluss zu fassen: für oder gegen Gottes Botschaft. Was auf uns wartet, ist die Liebe Gottes, eine „Liebe, die stärker ist als der Tod“ (Hohe Lied 8,6).

Jesus hat uns die Radikalität seiner Botschaft einmal selber vorgemacht, als er von den Pharisäern gefragt wurde, ob man eine beim Ehebruch auf frischer Tat ertappte Frau steinigen solle, ja oder nein? Aber Jesus antwortet nicht nach der üblichen Denkweise „Ja – Nein“, sondern viel umfassender, viel stimmiger, viel radikaler, wenn er sagt: „Wer von Euch ohne Schuld ist, der werfe den ersten Stein!“ (Joh 8,7). Nur diese Antwort führt zum eigentlichen, wahren Ziel, zum Glück der Menschen. 

Abbruch oder eher Aufbruch?

Vieles in unserem Leben erscheint beim ersten Eindruck so, als wäre es ein „Abbruch“, und hinterher stellt sich heraus, dass es eher ein „Aufbruch“ war; aus einem „Ende“ kann schnell eine „Wende“ werden und aus einem „Untergang“ manchmal ein „Übergang“, ein beherzter Abschied bringt uns oft eine glückliche Ankunft.

In den Zeiten der Pandemie meinten viele so genannte „Querdenker“, besonders „fortschrittlich“ und die eigentlich „wissenden Protestler“ zu sein. Hinter ihrer Fassade jedoch verbargen sie oft nur ewig gestrige Verschwörungstheorien. Sie verhöhnten eigentlich damit die Menschen, die tatsächlich und wirklich den Mut und die Kraft besitzen, das Denken ihrer Zeit wirksam auf den Kopf zu stellen, zu durchbrechen, allerdings im Sinne Jesu, zum Segen der Menschen.

Stanislaus Klemm, Dipl. Psychologe und Theologe, In: Pfarrbriefservice.de

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Stanislaus Klemm, Diplompsychologe und Theologe

Stanislaus Klemm, Jahrgang 1943, ist Diplompsychologe und Theologe. Er arbeitete in der Suchttherapie, in der ökumenischen Telefonseelsorge Saar sowie in der Lebensberatung des Bistums Trier in Neunkirchen. Er ist Autor verschiedener Bücher. 

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Text: Stanislaus Klemm, Dipl. Psychologe und Theologe
In: Pfarrbriefservice.de