das „WIR“ gesucht

Gedanken zur ARD-Themenwoche

„Willst du deinen Staat in Ordnung bringen, dann bringe zuerst einmal deine Familie in Ordnung!“, so jedenfalls heißt es in einem chinesischen Sprichwort. Dahinter steckt wohl eine alte Erfahrung, bei allem Großen im Leben erst einmal im Kleinen anzufangen. Sind unsere Zweierbeziehungen in Ordnung, so wird sich das auch in unserer Gesellschaft positiv bemerkbar machen.

„Das einzige Problem, das ich habe, das bist du! Du bist einfach unmöglich!“ – „Das stimmt doch gar nicht! Wer hat denn damit angefangen? Du!“ – „Nein, du…“. So oder so ähnlich verlaufen die „Strickmuster“ vieler unnützer Streitgespräche. Da sitzen sich zwei Ankläger „gegenüber“. Jeder sagt dem anderen mit spitzem Zeigefinger: „Du bist das Problem!“. In der Arbeit der Eheberatung kann man das oft erleben. Natürlich wehrt sich jeder von uns, wenn einem jemand so etwas sagt und man wird zurück antworten: „Nein, du bist es!“. Das geht endlos so weiter. Man kann dann zwei Menschen erleben, die sich gegenseitig in eine Schuldecke drängen wollen. Leicht vorzustellen, dass solche Gespräche uferlos weitergeführt und fast immer ergebnislos enden werden, nachdem jeder sein „Pulver“ verschossen hat. Wer von uns würde sich da nicht wehren, wenn er oder sie ein „Problem“ genannt werden würde. Ich bin schließlich ein Lebewesen, ein Mensch und kein Problem. Allenfalls habe ich ein Problem. Nein, wir beide haben ein Problem, das uns beiden schadet, und das nur wir beide lösen können.

Bei einem Problem ist es egal, wer irgendwo, irgendwann oder mit irgendetwas angefangen hat. Wenn solche zwischenmenschlichen Probleme entstehen, leiden immer beide darunter. Probleme sind immer etwas Störendes, etwas, das von außen die innere Harmonie von beiden angreift. Um sich davor zu schützen, sollte sich ein Paar nicht in zwei Ecken hineindrücken, im Gegenteil: Sie müssen näher zusammenrücken, mehr mit einander sprechen, müssen sich umfassender informieren, gemeinsam Ideen sammeln, die geeignet sind, das Problem erfolgreich zu lösen, es abzuwehren wie einen Virus, der in ihre Beziehung eindringen will. Wenn ein Paar ein Problem in seiner Beziehung bemerkt, ist es dringend nötig, noch stärker aufeinander zuzugehen, zusammenrücken. Bei Problemlösungen ist ein notwendiges „Wirgefühl“ unerlässlich. Man sitzt besser dicht nebeneinander, schaut sich in die Augen, spürt die Wärme und den gegenseitigen Respekt. Hört genau hin, was den anderen beschäftigt und sucht gemeinsam nach Lösungen. Dann und nur dann wird jedes Streiten zu einer Beziehungspflege. Die soll es sein. 

Was hier im Kleinen, in der Zweierbeziehung gilt und sich bewährt, das erweist sich im Großen. Das Streiten, die Auseinandersetzung in den größeren Zusammenhängen unserer Gesellschaft wird ebenfalls ins absolute „Aus“ rennen, wenn wir uns immer wieder nur gegenseitig für alles Mögliche verantwortlich machen und für schuldig erklären. Wenn wir uns bei all unseren Streitigkeiten in der Gesellschaft zuerst einmal an einen gemeinsamen „runden“ Tisch setzen, um herauszufinden, was dem anderen fehlt, was ihn bewegt und ängstigt, dann können wir gemeinsam nach Lösungen suchen. Wenn wir die Probleme gelöst haben, dann wird es einzig und allein dieses „Wir-Erlebnis“ sein, das uns die Kraft und Energie dazu gegeben hat.

Stanislaus Klemm, In: Pfarrbriefservice.de

Verknüpft mit:

Das Schwerpunktthema für Januar 2022

Vor dem Herunterladen:

Datei-Info:
Dateiformat: .rtf
Dateigröße: 0,05 MB

Sie dürfen den Text in sozialen Medien nutzen (z.B. Facebook, Twitter, Instagram, YouTube, etc.)

Beispiel für den Urhebernachweis, den Sie führen müssen, wenn Sie den Text nutzen

Text: Stanislaus Klemm, Dipl. Psychologe und Theologe
In: Pfarrbriefservice.de