Besser streiten?

Tipps für gelingende Beziehungen (6)

Schon als Kinder hat man uns gesagt: „Hört auf zu streiten, brave Kinder streiten nicht!“ Auch später hieß es: Man streitet nicht! „Streithansln“ sind nirgends beliebt. Und jetzt soll man in Beziehungen, in der Ehe auf einmal besser streiten?

Ist es vielleicht nicht so, dass wahre Liebe alles erträgt und man, wenn man sich wirklich liebt, überhaupt nicht streitet? Ist nicht ein Streit ein Zeichen dafür, dass man sich eben nicht mehr so richtig mag? Einem Konflikt sollte man doch besser aus dem Weg gehen, ihn totschweigen, gar nicht hinschauen.

Konflikte lassen sich nicht vermeiden

Aber überlegen Sie mal, gäbe es ohne Auseinandersetzungen, ohne Konflikte Entwicklung auf dieser Welt oder auch in der Liebe? Wenn alles immer passt und gleichbleibt, ist es nicht lebendig. Wenn man vernünftig überlegt, muss es, wenn Menschen miteinander zu tun haben, immer Auseinandersetzungen, Meinungsverschiedenheiten und Konflikte geben, ganz besonders, wenn man das Leben miteinander teilen möchte, sich selber und die/den andere/n ernst nimmt. Es gibt, bei aller Liebe, keine zwei Menschen, die immer dasselbe denken, dasselbe tun wollen, dieselben Wünsche und Träume haben. (Und eigentlich: Wie furchtbar fad wäre das wohl?)

Verdrängen ist keine Lösung

Diese Unterschiedlichkeit ist bereichernd, aber zuweilen befremdend, anstrengend, auch ärgerlich und manchmal schmerzlich und verletzend. Wenn man das nicht wahrhaben will („Wir zwei streiten doch nicht!“), alles hinunterschluckt oder unter den Teppich kehrt, dann wird der Haufen so groß, dass man darüber stolpert. Oft ist es dann nur ein kleiner Auslöser, der sogenannte letzte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt. Für den anderen oft unverständlich: „Das ist doch nur eine Kleinigkeit, warum ärgerst du dich so?“ Verdrängen ist kein allzu guter Weg, mit Problemen fertig zu werden. Es ist einfach etwas zerbrochen. Es gibt eine Menge Scherben und Verletzungen. Irgendwann fällt man dann darüber.

Besser streiten – aber wie?

Man kann die Unterschiedlichkeiten einfach wahrnehmen und als Chance erkennen, weil sie auch in aller Liebe etwas ganz Normales sind. Man liebt den/die andere/n ja gerade auch, weil er/sie anders ist. Und es geht darum, eben diese Unterschiedlichkeit gut für alle zu bewältigen und auch zu nutzen.

Dafür gibt es Regeln, die man beachten sollte:

  • Wenn man einen Konflikt fair austragen will, dann darf einer nicht schon von vorneherein wissen, wie es ausgehen soll. Man muss die Lösung gemeinsam suchen, so dass sie für alle halbwegs passt. Kompromisse sind nötig. Man muss auch nachgeben, aber beide!
  • Man sollte sich bemühen, die Belastbarkeit des/der anderen zu erkennen. Nicht zu jeder Zeit ist jedem alles zumutbar.
  • Gut miteinander reden: Offen, eindeutig und wertschätzend.
  • Keine Verallgemeinerungen. Wörter wie: immer, nie, dauernd … im Zusammenhang mit Vorwürfen sind fast nie gerechtfertigt.
  • Ärger und Aggressionen ansprechen, sagen, wie ich es erlebe, was ich fühle.
  • Behauptungen begründen und auch nach Begründungen fragen.
  • Hintergründe klären: Oft steckt ein anderes, tieferes Problem dahinter und nicht das, was den Streit gerade ausgelöst hat. Das Ursprungsproblem muss erkannt und gelöst werden.
  • Sich wieder versöhnen. Sich entschuldigen können und sich darum bemühen, zu verzeihen. Eventuell auch ein Zeichen für die Versöhnung finden, das immer gleichbleibt, damit man weiß, dass es nun wirklich wieder gut ist und nichts mehr nachgetragen wird und wieder aufgewärmt werden muss.

Manchmal kann man aber einen Konflikt jetzt nicht oder überhaupt nicht lösen. Man muss sich damit abfinden und lernen, gut damit zu leben. Vielleicht hilft dabei die Vorstellungskraft. Wenn man für die Beziehung das Bild eines Baumes nimmt, mit Ästen und Zweigen, mit einem Stamm und Wurzeln, mit Blättern, Früchten, Blüten und Knospen und da stirbt ein Ast ab, wird schwarz und verdorrt - wäre es da nicht unsinnig, immer nur auf den einen schwarzen, verdorrten Ast zu starren, anstatt sich über den ganzen starken und lebendigen Baum zu freuen und seine Knospen, Blüten und Früchte zu genießen?

Dr. Luitgard Derschmidt, In: Pfarrbriefservice.de

Die weiteren Texte der Reihe

Hinweis zum Text: Der Fachausschuss Ehe und Familie des Pfarrgemeinderates von Ebenau bei Salzburg gibt mit regelmäßigen Impulsen Anregungen im Pfarrbrief, damit Beziehungen gelingen. Die Autorin, Dr. Luitgard Derschmidt, stellt diese Impulse auch anderen Pfarrbriefredaktionen zur Verfügung.

Verknüpft mit:

Das Schwerpunktthema für Mai 2014

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Text: Dr. Luitgard Derschmidt
In: Pfarrbriefservice.de