Auf ne Limo …

Sich für die Einsamkeit schämen?

Matthias und Linus sind Freunde seit der ersten Klasse. Sie sind grundverschieden. Doch ihre Freundschaft verbindet ihren Spaß am Diskutieren. Mittlerweile studieren die beiden und wohnen circa 200 km voneinander entfernt. Doch, wenn sie sich treffen, kann es passieren, dass sie nachts um drei immer noch debattieren. Eine Diskussion der beiden darüber, warum Einsamkeit einen negativen Touch hat, warum sich Menschen dafür schämen, warum es klare Kommunikation braucht und was es mit Flexen, Snaps und Vorwürfen auf sich hat.

Linus: Ich glaube, es gibt unterschiedliche Gründe, warum du dich für deine Einsamkeit schämst. Entweder, weil du denkst, dass es einen Grund dafür gibt, dass du einsam bist. Oder du fühlst dich „aus dem Raster gefallen“ oder anders und hast deswegen das Gefühl, du würdest nicht dazu gehören. Das stigmatisiert viele Leute.

Matthi: Ich glaube, dass die Stigmatisierung bei Einsamkeit auch daher kommt, dass du dir selber Druck machst, dass du sozial sein muss oder dass du viel mit Leuten unternehmen musst, weil du es von anderen siehst und hörst. Es ist ein flex, du kannst damit angeben, wenn du viel mit Leuten machst, weil es zeigt, dass du beliebt bist. Ich glaube, wenn du so etwas hast, ist es etwas Positives und wenn du das nicht hast, ist es etwas Negatives. Leute, die keine Freunde haben, können im seltensten Fall etwas dafür, aber es ist trotzdem etwas, das an deinem eigenen Selbstwert nagt.

Linus: (überlegt) Einsamkeit ist kein Vorteil, den du hast und mit dem du auf Menschen zugehen kannst. Böse ausgedrückt, ist es nichts, was du bieten kannst. Wenn du auf jemanden zugehst und sagst: „Ich fühle mich einsam“ klingt das nach "Bitte hilf mir". Du brauchst etwas. Wenn du das jemandem kommunizierst, ist es eine Schwäche. Wahrscheinlich ist das das Problem.

Matthi: Und über die Sozialen Medien entsteht ein falsches Bild. Es sieht so aus, als ob die Leute die ganze Zeit unterwegs sind und Sachen machen. Da siehst du immer wieder, wie Leute feiern gehen. Ich sehe das auch an mir. Ich mache keinen Snap, wenn ich zuhause im Bett liege. Obwohl viele Menschen im Bett liegen und nichts machen. Ich mache eher einen Snap, wenn ich im Jugendzentrum bin oder feiern gehe. Das ergibt die Beiträge für Snapchat oder für Insta. Die Menschen wollen nach außen zeigen: Schau, ich habe Freunde, ich gehe mit Leuten raus, ich unternehme etwas. Wenn du das nicht hast, denkst du dir: „Boah ey, irgendetwas stimmt nicht. Ich müsste doch jemanden haben, mit dem ich etwas machen kann.“

Linus: Ich glaube, es kann auch vorwurfsvoll aufgenommen werden, wenn du Leuten, die dir nahestehen, erzählst, dass du dich einsam fühlst.

Matthi: Für die ist es schwer etwas Gescheites zu raten, wenn sie nicht selbst in der Situation sind. Es ist blöd zu sagen: „Gehe raus und finde Freunde!“ oder „Sei mal glücklich mit deiner Einsamkeit“ (lacht). Da gehört mehr dazu.

Linus: Vielleicht ist es nicht so wichtig, dass ich den Leuten kommuniziere, dass ich mich einsam fühle. Vielleicht ist es wichtiger zu kommunizieren, was ich konkret brauche. Wenn ich auf jemanden zugehe und sage, dass ich mich einsam fühle, habe ich keines meiner Bedürfnisse kommuniziert. Der Gegenüber kann damit relativ wenig anfangen. Was heißt denn du fühlst dich einsam? Heißt das, du willst dich verbundener mit den anderen fühlen? Heißt das, du willst öfter feiern gehen? Was heißt das? Ich glaube, dass die Person, die sich einsam fühlt offensiver sein muss und sagen muss: „Hey du, ich möchte feiern gehen, weil ich Lust auf Feierngehen habe“ und nicht „Ich fühle mich einsam“. Gleichzeitig müssen die Leute, denen ich sage, dass ich mich einsam fühle, offener damit umgehen.

Ronja Goj, In: Pfarrbriefservice.de

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Text: Ronja Goj
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