Auf dem Weg zu echten Reformen

Machtkontrolle, neue Sexualethik: Synodale sprechen von Kulturwandel in der Kirche

Die Debatten der zweiten Synodalversammlung verliefen zum überwiegenden Teil engagiert und couragiert, konstruktiv und zielorientiert. Über 200 Synodale hatten sich Zeit, manche sogar eigens Urlaub genommen, um vom 30. September bis 2. Oktober 2021 in den Frankfurter Messehallen über die Krise der Kirche zu beraten und Wege der Umkehr und Reform mitzugestalten. Die Tagesordnung war eng gesteckt, der Gesprächsbedarf groß. Die Redebeiträge wurden schon bald auf eine Minute begrenzt, was pointierte Aussagen beförderte.

Bischöfe und Gläubige ziehen an einem Strang

Inhalte und Abstimmungsergebnisse der bisher beratenen Texte sprechen eine deutliche Sprache. Die Texte sind durchweg von hoher Qualität und Reformwillen geprägt. Alle 12 Texte, die beraten wurden, fanden Mehrheiten von drei Viertel bis vier Fünftel der Versammlung. Die in ihnen vorgeschlagene Richtung findet also breite Zustimmung. Bischöfe und Gläubige, Laien und Experten ziehen an einem Strang. Das ist wichtig, denn es geht nicht um Kleinigkeiten. Mehrfach war von einem „Paradigmenwechsel“ und „Kulturwandel“ die Rede, den die Beschlüsse bewirken sollen. Sie sollen nicht Buchstabe bleiben, sondern umgesetzt werden.

Paradigmenwechsel

Ein Kulturwandel ist es beispielsweise, wenn, wie im Grundlagentext des Forums I formuliert, kirchliche Machtverhältnisse, die bisher strikt hierarchisch organisiert sind, partizipativ gestaltet werden. Wenn Rechenschaftslegung, die bisher nur „nach oben“, also gegenüber einer übergeordneten Stelle, vorgesehen ist, künftig auch gegenüber den Gläubigen erfolgt. Wenn Bischöfe, Domkapitel und leitende Pfarrer sich an Beschlüsse binden, die mit den Gläubigen bzw. Gremien getroffen worden sind. Wenn das Vertrauensverhältnis zwischen Bischof und Bistum, Pfarrer und Gemeinde beizeiten erfragt wird. Das stärkt in guten Tagen die Zusammenarbeit. In schlechten Zeiten, wenn Vertrauen nachhaltig zerrüttet sein sollte, schafft es Prozeduren, mit Konflikten bis hin zu Rücktrittsforderungen umzugehen.

Maßnehmen an der Wirklichkeit des Lebens

Ein Paradigmenwechsel deutet sich auch im Bereich der katholischen Sexualethik an. Laut Katechismus ist bisher jegliche Intimität an die Ehe und Offenheit für Kinder gebunden. Alles andere – sexuelle Beziehungen zwischen Menschen, die nicht miteinander verheiratet sind, Erotik ohne Kinderwunsch, homosexuelle Liebesbeziehungen und anderes mehr – sei moralisch verwerflich, unerlaubt, sogar inhuman. Das überzeugt schon lange nicht mehr. Der Grundlagentext des Forums IV plädiert für eine substanzielle Korrektur dieser Sichtweise. Nicht die Biologie (die Zeugungsfähigkeit eines heterosexuellen Paares), sondern die Beziehung ist entscheidend, auch in homosexuellen Partnerschaften. Es geht um die Würde und Integrität jedes und jeder einzelnen. Was zählt, ist der Mensch in seiner Liebesfähigkeit, auch wenn traditionelle Muster von Mannsein und Frausein nicht zu allen passen. Das ist keine „Gender-Ideologie“, sondern Maßnehmen an der Wirklichkeit menschlichen Lebens. Dafür ist es höchste Zeit.

Julia Knop, In: Pfarrbriefservice.de

Dr. theol. Julia Knop (geb. 1977) ist Professorin für Dogmatik an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Erfurt und Mitglied der Synodalversammlung sowie des Synodalforums „Macht und Gewaltenteilung in der Kirche“.

Der Synodale Weg

Der Synodale Weg ist ein Gesprächsprozess innerhalb der katholischen Kirche in Deutschland. Er soll der Aufarbeitung von Fragen dienen, die sich im Herbst 2018 nach der Veröffentlichung der sogenannten MHG-Studie über sexuellen Missbrauch in der Kirche ergeben haben. Die Deutsche Bischofskonferenz und das Zentralkomitee der deutschen Katholiken verantworten gemeinsam diesen Prozess, der auf mehrere Jahre angelegt ist und am 1. Dezember 2019 eröffnet wurde. www.synodalerweg.de

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Zweite Vollversammlung bestätigt Richtung der bisherigen Gespräche: Es geht um große Veränderungen

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Text: Julia Knop
In: Pfarrbriefservice.de