Wir in Ost- und Westdeutschland

Das Schwerpunktthema für September/Oktober 2025

von Elfriede Klauer am 28.05.2025 - 18:09  

Bernhard Riedl

Die Bilder der Nacht vom 9. auf den 10. November 1989 in Berlin berühren noch heute. Tausende Menschen stehen dicht gedrängt im Ostteil der Stadt an den Grenzübergängen einer unüberwindlichen Mauer. Sie trennt Ostdeutschland, die Deutsche Demokratische Republik (DDR), von Westdeutschland, der Bundesrepublik Deutschland (BRD). Viele Wartende klammern sich an diesem Abend an die Hoffnung, dass das Undenkbare – eine Öffnung der innerdeutschen Grenze für alle – wahr werden könnte. Vorausgegangen waren in Leipzig und anderen Städten der DDR Demonstrationen von zunehmend mehr Menschen für demokratische Reformen, Reisefreiheit und Meinungsfreiheit. Gegen 23 Uhr am 9. November 1989 gibt der diensthabende DDR-Grenzoffizier am Berliner Grenzübergang Bornholmer Straße dem Druck der wartenden Menschen nach und lässt die Schranke öffnen – zunächst ohne klare Anweisung von oben. Erst zögerlich, dann wie in einem Rausch strömen die Menschen aus dem Osten durch die Tore, die sich an weiteren Grenzübergängen öffnen. Es ist, als würde ein Damm brechen – ein Damm, der jahrzehntelang Familien, Freunde, ein ganzes Volk getrennt hatte.

Auf der Westseite fallen sich Fremde in die Arme. Fassungslosigkeit, Erleichterung, Glück – all das mischt sich in den Gesichtern. Es wird gejubelt, geweint, gelacht. Viele bringen Blumen, Sekt, Kerzen. Auf den Straßen herrscht eine ausgelassene Feier, Menschen tanzen auf der Berliner Mauer, stoßen mit Plastikbechern an, während unten der Strom der Neuankömmlinge nicht abreißt.

In nicht weniger als einem Jahr danach ist die Teilung Deutschlands, die eine Folge des 2. Weltkriegs war, überwunden. Am 3. Oktober 1990 tritt die DDR dem Geltungsbereich des Grundgesetzes der BRD bei. So heißt es offiziell. Der 3. Oktober wird seitdem als Tag der deutschen Einheit gefeiert. Überlegungen, in Ostdeutschland nach dem Fall der Mauer ein eigenständiges politisches System zu etablieren, konnten sich nicht durchsetzen. Bei der ersten freien Volkskammerwahl in der DDR am 18. März 1990 gewannen vor allem die Parteien, die eine rasche Wiedervereinigung befürworteten.

35 Jahre später zeigt sich immer deutlicher, dass zwar die staatliche Einheit wieder hergestellt und vieles mittlerweile geschafft ist, dass aber die innere Einheit eine Herausforderung bleibt. 
In vielen Regionen Ostdeutschlands sind Löhne, Vermögen und Renten im Durchschnitt niedriger als im Westen. Große Unternehmen und gut bezahlte Jobs sind häufiger im Westen zu finden, was zu einem Gefühl struktureller Benachteiligung im Osten führt. Viele Menschen in Ostdeutschland haben Jahrzehnte in einem anderen politischen und gesellschaftlichen System gelebt. Diese Erfahrungen wirken bis heute nach und prägen Sichtweisen, die aber in der öffentlichen Debatte, die als westdeutsch dominiert wahrgenommen wird, kaum eine Rolle spielen. Viele Ostdeutsche empfinden, dass ihre Lebensleistungen nach der Wende nicht ausreichend gewürdigt wurden – etwa durch Arbeitslosigkeit, Abwicklung von Betrieben oder westdeutsch dominierte Führungspositionen in Wirtschaft, Politik und Verwaltung. Nach wie vor existieren Klischees wie „Jammer-Ossi“ und „Besser-Wessi“.

Was kann helfen? Mehr Interesse für die Herausforderungen, denen sich Menschen in Ostdeutschland gegenüber sehen, ein stärkeres Aufeinanderzugehen, das frei ist von Vorurteilen und frei ist für andere Sichtweisen, hüben wie drüben. Die innere Einheit ist ein Prozess, der gegenseitiges Verstehen, Zeit und echte Begegnung braucht. Machen Sie Ihren Pfarrbrief zu einem solchen Ort der Begegnung. Die untenstehenden Beiträge des Schwerpunktthemas unterstützen Sie dabei.

    Bilder

    Bruder Gabriel begegnet Menschen in Ost- und Westdeutschland – Ein Interview

    von

    Elfriede Klauer

    Bruder Gabriel Zörnig (Jg. 1963) ist mit seinem rollenden Kloster, einem umgebauten Wohnmobil, unterwegs zu den Menschen. Er trifft sie in Ostdeutschland, dort vor allem in Mecklenburg-Vorpommern, aber auch in Westdeutschland.

    Ein Interview mit Weronika Vogel, die in einem Internetblog „den Osten“ erklärt

    von

    Elfriede Klauer

    „Eastplaining“ heißt der Internetblog von Weronika Vogel und Hanna Müller. Eastplaining ist eine Wortneuschöpfung aus dem Englischen und bedeutet soviel wie „den Osten erklären“. Beide Frauen stammen aus Ostdeutschland.

    Mein Leben in zwei Systemen und einer Kirche

    von

    Juliane Bittner, Quelle: Erzbistum Berlin – Gesichter und Geschichten, Bd. 4

    Als die DDR zwei Jahre alt war, bin ich geboren. In Leipzig. Vater war katholisch, Mutter evangelisch. Sie konvertierte, und so wuchs ich katholisch auf. Und wohlbehütet. Tagsüber kümmerte sich meine Oma um mich, meine Eltern waren berufstätig.

    Georg Dinter erzählt vom Christsein in der DDR, von Montagsdemos, den wilden 1990er Jahren und warum ein Handwerker auch Seelsorger ist

    von

    Stefan Schilde, Quelle: Erzbistum Berlin – Gesichter und Geschichten, Bd. 4

    Nein, nicht jede Leidenschaft wird vererbt. Georg Dinter weiß das. Sein Großvater war der bekannte DDR-Radrennfahrer Paul Dinter, der unter anderem mehrfach bei der renommierten Internationalen Friedensfahrt mitfuhr.

    Erfahrungen aus Ost und West

    von

    Verschiedene Autoren

    Reisefreiheit? Für DDR-Bürger ein Fremdwort. Doch mit der Deutschen Einheit bot sich plötzlich die Möglichkeit dazu. Viele Sachsen berichten mir, wie sie einen lange gehegten Traum wahr werden ließen und sich die Welt ansahen. Was ich daraus gelernt habe?

    von

    Peter Schott

    Frankenheim war eine der fränkischen Grenzorte zur Deutschen Demokratischen Republik. Es gibt viele Geschichten, die sich an der deutsch-deutschen Grenze ereigneten. Sie berichten über: Schmuggel, Flucht, Drama, Hilfe…

    Für Johannes Simon sind Reisen „in den Osten“ Neuland-Entdeckerreisen – Seine Tipps

    von

    Johannes Simon, Pastoralreferent

    Da ist sie mir wieder ins Gesicht geschrieben: die Begeisterung für den Osten unseres Landes. Mit Überzeugung erzähle ich meiner Tochter, Jahrgang 1988, wie gerne ich aus den fränkischen Haßbergen mit meiner Frau ins Theater nach Meiningen fahre.

    Initiative „3. Oktober – Deutschland singt und klingt" stellt Noten und Veranstaltungstipps bereit

    von

    Elfriede Klauer

    Die Initiative „3. Oktober – Deutschland singt und klingt" lädt seit einigen Jahren am Tag der deutschen Einheit zu einem bundesweiten offenen Singen und Musizieren ein, um an die Friedliche Revolution 1989 zu erinnern und Hoffnung zu stiften über alle Krisen hinweg.

    von

    Peter Schott

    Einheitsübersetzung

    Ossi oder Wessi?
    Wer setzt sich durch?
    Wessi oder Ossi?
    Stopp!
    Wollten wir nicht eigentlich 
    etwas ganz Anderes voraussetzen?

    von

    Nachfolgende Buchempfehlungen sind eine Auswahl aus der Medienliste des Borromäusvereins unter dem Titel „Deutsche Einheit: Vom Glück des Anfangs zum Zorn der Gegenwart".

    von

    Klaus Jäkel

    Kennwort des Heiligen Jahres 2025                         
    Hoffnung
    jene Lebenskraft 
    in unser aller Mitte
    die jeden … Alt und      
    Jung oder Neu …   

    Politlyrik zum Tag der Deutschen Einheit

    von

    Peter Schott

    Unter dem Tag der Einheit

    schlummert eine Vielheit von
    Ängsten und Enttäuschungen,
    Wünschen und Erwartungen.

    Tipps für Pfarrbriefredaktionen

    Lieblingsrezepte aus Ost und West

    Mehr Verständnis füreinander kann auch durch den Magen gehen. Fragen Sie doch Menschen, die aus Ost- bzw. Westdeutschland zu Ihnen gezogen sind, welche Gerichte typisch für die alte Heimat sind. Veröffentlichen Sie die Zutaten und die Zubereitung, wenn möglich mit einem Bild des Gerichtes und des Rezeptelieferanten.

    Reisetipps

    Urlaub im eigenen Land? Deutschland hat viele schöne Ecken zu bieten für einen Kurzausflug oder einen längeren Aufenthalt. Sammeln Sie Reisetipps von Menschen aus Ihren Gemeinden, die aus Ost- und Westdeutschland stammen. Die Reisetipps sollen Lust machen, den jeweils anderen Landesteil näher kennenzulernen. Bitten Sie die Menschen, zu beschreiben, welches Ziel sie empfehlen, warum und für wen sie es empfehlen, was man dort sehen oder erleben kann. Veröffentlichen Sie die Tipps mit dem Bild des jeweiligen Hinweisgebers.

    Menschen befragen

    Wie erleben Menschen, die zu Ihnen aus West- oder Ostdeutschland zugezogen sind, die neue Heimat? Was fällt ihnen auf? Wie sehen sie das Thema innere Einheit? Welche Herausforderungen gibt es und welche Chancen? Bitten Sie zum Interview und denken Sie an eine entsprechende Bebilderung.

    Diese Seite teilen