Alltagsrassismus: Das unbewusste Phänomen

Das Schwerpunktthema für Februar 2022

von Elfriede Klauer am 27.10.2021 - 06:10  

Warum sollte man im Pfarrbrief ein Thema aufgreifen, das für viele Menschen überhaupt keines ist? Noch dazu, wenn es sich so gefährlich anhört wie das Wort Rassismus? Sind Rassisten nicht die, die kahlköpfig in Springer-Stiefeln Jagd auf Menschen machen? Rassismus gibt es bei denen, aber doch nicht bei uns. Oder?
 
Die Berichte von Betroffenen zeigen ein anderes Bild. Es sind nicht die lebensgefährlichen Situationen, denen sie im Alltag ausgesetzt sind, sondern scheinbar harmlose Fragen, wie „Wo kommst du eigentlich her?“ oder Aussagen, wie „Du kannst aber gut deutsch“. Was vielleicht freundlich und interessiert gemeint ist, transportiert unterschwellig eine weitere Botschaft. Sie gibt derart angesprochenen Menschen das Gefühl, nicht dazuzugehören. Selbst wenn sie in Deutschland geboren sind und sich als Deutsche fühlen.

Die Ausgrenzung ist die eine Form von Aggression, die Betroffene spüren. Die andere ist die Abwertung, wenn ihnen aufgrund ihres Aussehens nicht so viel zugetraut wird, z. B. in der Schule, oder wenn ihnen aufgrund ihres Aussehens bestimmte negative Eigenschaften zugeschrieben werden. Unter dem Reiter „Texte“ finden Sie Berichte von Betroffenen, die genau diese Erfahrungen schildern.

Rassismus ist kein Problem nur der anderen. Niemand kann sich ihm entziehen. Das schreiben Autorinnen und Autoren dieses Schwerpunktthemas. Für sie ist Rassismus ein wirkmächtiges Gedankenkonstrukt mit einer über 500jährigen Geschichte. Das Seltsame oder auch Fatale ist nur, dass weiße Menschen davon normalerweise nichts mitbekommen.

Es ist an der Zeit, sich damit auseinanderzusetzen. Das Thema „Alltagsrassismus“ im Pfarrbrief könnte ein Anfang sein. Die Bilder, Texte, Tipps und Links möchten Sie dabei unterstützen.

Vielleicht fällt Ihnen beim Lesen der Texte auf, dass die Bezeichnungen weiß und Schwarz in einer besonderen Form erscheinen, wenn von Schwarzen oder weißen Menschen die Rede ist – schwarz ist dann großgeschrieben und weiß entweder auch groß oder klein und kursiv. Viele Menschen, die sich mit diesem Thema beschäftigen, schreiben so. Sie wollen damit deutlich machen, dass mit Schwarz und weiß nicht die Hautfarbe gemeint ist. Viele Weiße sind z. B. dunkelbrauner als viele Schwarze. Als Weiße gelten sie trotzdem. „‚Schwarz‘ und ‚weiß‘ sind keine echten ‚biologischen Tatsachen‘, sondern Gesellschaftskonstrukte; sie benennen die verschiedenen Hintergründe, Sozialisationen und Lebensrealitäten“, heißt es z. B. auf der Website www.derbraunemob.de/faq.
Schwarz gilt als politische Selbstbezeichnung Schwarzer Menschen. Sie lehnen es ab, z.B. als farbig oder dunkelhäutig bezeichnet zu werden. Der Begriff People of Color (PoC) oder auch Menschen of Color gilt als internationale Selbstbezeichnung von/für Menschen mit Rassismuserfahrungen (www.amadeu-antonio-stiftung.de).

    Bilder

    Ein Interview mit Marita Wagner von missio Aachen über Alltagsrassismus

    von

    Elfriede Klauer

    Zwei Jahre theologisches Studium in Südafrika haben Marita Wagner hautnah erleben lassen, dass Hautfarbe eine große Rolle spielt.

    von

    Broschüre „Wir nehmen Rassismus persönlich“, Amnesty International, 2016, www.amnesty.de/gegen-rassismus

    „Nach einem Workshop zum christlich-islamischen Dialog in Berlin waren wir bei einer Kollegin in Berlin-Friedrichshain eingeladen und ein ethnisch-pakistanischer Kollege aus Frankfurt/Main, ein ethnisch-deutscher Kollege aus München und ich standen an der Bushaltestelle und warteten auf den Bus.

    von

    Broschüre „Wir nehmen Rassismus persönlich“, Amnesty International, 2016, www.amnesty.de/gegen-rassismus

    Medizinstudentin im 4. Semester und Aushilfe in der Flüchtlingshilfe
    Interessen: Lesen, Malen, Reisen, Kochen
    Leidenschaft: Fremdsprachen

    von

    Broschüre „Wir nehmen Rassismus persönlich“, Amnesty International, 2016, www.amnesty.de/gegen-rassismus

    Ob gewollt oder ungewollt, wir alle handeln im Alltag rassistisch. Dies bei anderen – und vor allem bei uns selbst – zu erkennen, ist aber gar nicht so einfach. Hier sind sieben Schritte, wie weiße Menschen gegen Rassismus vorgehen können:

    Christliche Vergötzung von Weißsein sichert Weiße Vorherrschaft ab

    von

    Dr. Eske Wollrad, Quelle: Bundesarbeitsgemeinschaft Kirche & Rechtsextremismus, u.a. (Hg.): Vor Gott sind alle Menschen gleich. Beiträge zu einer rassismuskritischen Religionspädagogik und Theologie.

    Lange bevor die Lüge menschlicher „Rassen“ geboren wurde, wurden Wertvorstellungen über Farben ausgedrückt. Diese Farben bezogen sich meist nicht auf Hautfarben, sondern waren Symbole. Auch frühchristliche Quellen bedienten sich dieser Farbsymbolik.

    Wie sie Denken, Reden und Handeln prägt

    von

    Dr. Eske Wollrad, Quelle: Bundesarbeitsgemeinschaft Kirche & Rechtsextremismus, u.a. (Hg.): Vor Gott sind alle Menschen gleich. Beiträge zu einer rassismuskritischen Religionspädagogik und Theologie.

    Wie lebt es sich in einer Gesellschaft, die Weißsein als Norm gesetzt hat?

    und wie sie zu unverdienten Vorteilen führt

    von

    Dr. Eske Wollrad, Quelle: Bundesarbeitsgemeinschaft Kirche & Rechtsextremismus, u.a. (Hg.): Vor Gott sind alle Menschen gleich. Beiträge zu einer rassismuskritischen Religionspädagogik und Theologie.

    Rassismus ruht auf der Lüge Weißer Überlegenheit: Diese Lüge besagt, Weiße seien die besseren Menschen.

    von

    Bundesarbeitsgemeinschaft Kirche & Rechtsextremismus. Handreichung #2. 5 Fragen zu Rassismus, www.bagkr.de

    „Die westliche Gesellschaft der Neuzeit hat schon früh aus der Verschiedenheit der Kulturen auf der ganzen Welt ebenso absurde wie tragische Schlussfolgerungen gezogen, indem sie diese Verschiedenheit völlig fiktiven Rassemerkmalen zuschrieb, auf Grund derer sich der ‚weiße‘ oder ‚arische‘ Mensch

    Alice Hasters: Was weiße Menschen nicht über Rassismus hören wollen, aber wissen sollten

    von

    Elfriede Klauer

    Warum ist die Frage „Wo kommst du her?“ für Menschen anderer Hautfarbe oft so verletzend? Warum sollten sich Sternsinger-Kinder nicht mehr das Gesicht schwarz anmalen müssen? Warum ist es nicht lustig, sich im Karneval als Afrikaner mit Baströckchen zu verkleiden?

    Warum wir uns Jesus als Europäer vorstellen – und das ändern sollten

    von

    Christoph Paul Hartmann, www.katholisch.de

    In vielen Köpfen hat Jesus weiße Haut – aber warum eigentlich, wenn er doch aus dem Nahen Osten stammte? Ein Blick in die Geschichte zeigt Jesusbilder mit unterschiedlichen Funktionen und wenig Sinn für die Realität – und manchmal sogar einem gefährlichen Machtanspruch.

    von

    Schülerin, 19 Jahre:

    von

    Broschüre „Wir nehmen Rassismus persönlich“, Amnesty International, 2016, www.amnesty.de/gegen-rassismus

    Interessiert sich für unterschiedliche Länder und Kulturen und lernt gern Sprachen

    Luther, Melanchthon und Abba Mika’el aus Äthiopien

    von

    Claudia Währisch-Oblau, Quelle: https://rassismusundkirche.de

    Die Reformation in Europa hatte mit dem Rest der Welt nichts zu tun, sondern war eine rein innereuropäische Angelegenheit. So habe ich es im Theologiestudium gelernt. Aber das ist ein klassisches Beispiel dafür, wie Theologie aus einer verengten, weißen Perspektive gelehrt wird.

    von

    Marianne Pötter-Jantzen Quelle: Rassismus bekämpfen. Forum Weltkirche 1/2021

    Oft verstellen uns die großen trennenden Kategorien den Blick auf das, was uns verbindet. Wir sehen eine andere Hautfarbe oder ein Kopftuch – und schon fährt unsere innere Barriere hoch. Dabei gäbe es so viel Gemeinsames zu entdecken.

    von

    Martina Dittmer-Flachskampf, Quelle: Rassismus bekämpfen. Forum Weltkirche 1/2021

    Wer bist Du? Wer bin ich?
    Werden, wer ich bin. Wachsen, Neues lernen.
    Begegnungen wagen, geformt werden.
    Sicherheiten in Frage stellen, Entwicklungen zulassen.
    Erfahrungen sammeln, Erinnerungen hüten.
    Wie verschieden sind wir eigentlich, Du und ich?

    von

    Marita Wagner, Quelle: Rassismus bekämpfen. Forum Weltkirche 1/2021

    Was macht uns als Menschen wirklich aus? Was prägt uns als Menschen? Und inwiefern beeinflusst dies unsere Wahrnehmung auf die Welt? Wie sieht „der“ oder „die Deutsche“ aus – schwarz, weiß, bunt? Gibt es sie überhaupt, „den Deutschen“ und „die Deutsche“?

    Ertappt

    von

    Christian Schmitt

    Neulich an der Supermarktkasse. Vor mir an der Reihe ist eine Frau mittleren Alters, die exakt 11 Euro und 32 Cent zu bezahlen hat. Umständlich kramt sie in ihrer Geldbörse, um der Kassiererin ein paar Geldstücke in die Hand zu drücken.

    Rassistische Denkmuster verfolgen nicht immer eine böse Absicht

    von

    Carina Harbeuther, Flüchtlingsbeauftragte des evang.-luth. Dekanats Erlangen & Studienleiterin bildung evangelisch in Europa e.V.

    Was bedeutet es eigentlich, weiß zu sein? Haben Sie sich diese Frage schon einmal gestellt?

    Politlyrik zu Rassismus

    von

    Peter Schott

    Bilder von Rassismus
    gehen unter die Haut:

    schwarz/weiß-Denken
    schwarz/weiß-Fühlen
    schwarz/weiß-Handeln

    Bilder von Rassismus
    gehen unter die Haut:

    Weder du noch ich
    noch sonst ein Mensch
    hat sich die Hautfarbe
    ausgesucht.

    von

    Andere Zeiten e.V.

    Eine ältere Frau kauft sich im Schnellrestaurant eine Suppe. Sie trägt den dampfenden Teller an einen der Stehtische und hängt ihre Handtasche darunter. Dann geht sie noch einmal zur Theke, um einen Löffel zu holen.

    Lyrische Texte

    von

    Conrad M. Siegers

    Und ich fragte:
    Was hast Du Dir dabei gedacht, Gott,
    eine Ausländerin, die ihren Gott
    wechselt wie andere ihre Hemden,
    zur Urgroßmutter Davids
    und Ahnfrau Jesu zu machen?
    Gab es nicht genügend
    rechtgläubige Frauen
    für Deine Heilsgeschichte mit uns?

    Tipps für Pfarrbriefredaktionen

    Betroffene zu Wort kommen lassen

    Das Thema gewinnt an Relevanz für Ihre Leserinnen und Leser, wenn Sie Menschen aus Ihren Gemeinden im Pfarrbrief zu Wort kommen lassen, die von Alltagsrassismus betroffen sind. Vielleicht ist ein Interview möglich oder der/die Betroffene schildert sein/ihr eigenes Erleben in einem eigenen Beitrag.

    Fragen für ein Interview könnten sein:

    • In welchen Situationen fühlen Sie sich rassistisch behandelt?
    • Was macht das mit Ihnen?
    • Was würden Sie sich stattdessen wünschen?

    Wenn der/die Betroffene nicht möchte, dass sein/ihr Name erscheint, wählen Sie einen anderen Namen und schreiben am Ende des Textes: * Name von der Redaktion geändert.

    Jesus nur in weiß?

    Die Jesus-Darstellungen in den Kirchen sind wie selbstverständlich weiß. Dass man aber keinesfalls davon ausgehen kann, dass Jesus die Hautfarbe weißer Europäer hatte, macht der Beitrag von Christoph Paul Hartmann „Über Umwege zum weißen Jesus“ deutlich.
    Wie wäre es, wenn Sie die Hautfarbe einer vertrauten Jesus-Figur aus Ihren Kirchen mittels Fotobearbeitung verändern würden, z. B. für das Titelbild? Um Sehgewohnheiten aufzubrechen und bisher selbstverständliche Überzeugungen infrage zu stellen?

    Magazin Forum Weltkirche: Rassismus bekämpfen

    „Rassismus bekämpfen“ lautet das Schwerpunktthema des Magazins Forum Weltkirche 1/2021. Unterschiedliche Autorinnen und Autoren gehen der Frage nach, inwieweit Rassismus als koloniales Erbe die deutsche Gesellschaft, die deutsche Kirche und die Theologie prägt, schildern ihre Erfahrungen mit Rassismus im Alltag und wie es ist, das eigene Weißsein kritisch zu hinterfragen.

    Forum Weltkirche ist eine Zeitschrift für die Themen und Entwicklungen der weltweiten katholischen Kirche, die von missio Aachen und dem Herder-Verlag zweimonatlich herausgegeben wird.

    Die Beiträge des Schwerpunktthemen-Heftes kann man online lesen unter https://www.forum-weltkirche.de/hefte/2021/heft-1/2021-rassismus-bekaem…. Die gedruckte Ausgabe kostet 8 Euro. Für größere Bestellmengen z. B. für die Gemeindearbeit gibt es Mengenrabatt. Informationen unter https://www.forum-weltkirche.de/hefte/2021/heft-1/2021-rassismus-bekaem….

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