Soll es einen muslimischen Feiertag geben?

Gedanken zur Religionsfreiheit und Feiertagskultur in Deutschland

„Ich bin bereit, darüber zu reden, ob wir auch mal einen muslimischen Feiertag einführen.“ Dies äußerte Innenminister de Maizière im Oktober 2017 bei einer Wahlkampfveranstaltung in Wolfenbüttel. Neben heftiger Kritik gab es auch Zustimmung. So der Präsident des Zentralkomitees der Katholiken, Thomas Sternberg, der gegenüber den Kritikern meinte, christliche Feiertage würden weniger durch Einführung eines muslimischen Feiertags gefährdet als vielmehr dadurch, dass immer weniger Menschen etwas mit diesen Tagen anfangen können. Zu beiden Bemerkungen ein paar kurze Gedanken:

1. Zunächst hege ich Zweifel, ob de Maizières Vorschlag – der später dann doch kein Vorschlag gewesen sein sollte – wirklich integrationsfördernd ist. Islamisierungsängste, die übrigens nicht nur die deutsche Bevölkerung umtreibt, sondern auch manche gut integrierte Muslime, und die sich darin ausdrückende Sorge um die Identität unserer Kultur, werden auf diese Weise sicher nicht verringert. Bei aller Willkommenskultur sind wir es den Menschen schuldig, die Probleme, die durch die unkontrollierte Masseneinwanderung von Flüchtlingen insbesondere aus muslimischen Kulturkreisen in unser Land hereingetragen wurden, ernst zu nehmen.

An dieser Stelle möchte ich nur eines nennen, ein aus meiner Sicht aber höchst bedeutsames: Viele Flüchtlingsunterkünfte sind zu Orten mitten in unserem Land geworden, in denen Religionsfreiheit ausgesetzt ist. Erst kürzlich habe ich es selbst hautnah miterlebt, als ich muslimische Flüchtlinge, die sich für den christlichen Glauben interessieren, buchstäblich am ganzen Körper zittern sah bei der Vorstellung, dies könnte in ihrer Unterkunft bekannt werden.

Religionsfreiheit von Muslimen einfordern

Wir alle wissen, wie sensibel das Thema Religion im Zusammenhang mit Muslimen ist. Tief religiöse Menschen kommen zu uns, manche entdecken ihren Glauben neu als zentralen Teil der eigenen Identität in Unterscheidung zu einer christlich geprägten bzw. religiös gleichgültig gewordenen Gesellschaft. Dennoch ist Religion, zumindest meiner Wahrnehmung nach, weder in städtisch noch in kirchlich betreuten Unterkünften ein Thema. Ich frage mich, warum nicht z.B. in jeder Unterkunft Gesprächsmöglichkeiten angeboten werden, in denen Christen, Moslems, Atheisten, Agnostiker, etc. einander begegnen und über ihre Überzeugungen sprechen können, um so die Chance zu bekommen, sich kennenzulernen und gegenseitige Vorurteile abzubauen. Stattdessen tut man so, als könne man das Problem aus der Welt schaffen, indem man es ignoriert. Und genau das droht, so fürchte ich, unser Land auf eine Weise zu verändern, wie wir alle es gar nicht wollen.

Muslime kommen aus Ländern, in denen es Religionsfreiheit nach westlichem Verständnis nicht gibt. So ist z.B. in keinem muslimisch dominierten Land ein Wechsel vom Islam zum Christentum (oder einer anderen Religion) gesellschaftlich akzeptiert. Im Gegenteil, die Scharia sieht für dieses „Vergehen“ die Todesstrafe vor. Religionsfreiheit, wie wir sie verstehen, haben sie also einfach nie erlebt – woraus ihnen daher auch kein Vorwurf zu machen ist. Allerdings erleben sie für sich persönlich sehr wohl, was es heißt, Religionsfreiheit zu genießen, und sie nehmen sie für sich auch gerne in Anspruch. Aber das heißt noch lange nicht, dass sie bereit sind, ihrerseits dasselbe anderen zuzugestehen. Welch ein Signal wäre es gerade auch für die Ankömmlinge, wenn die hiesigen Islamverbände nicht nur, wie es zumindest gelegentlich geschieht, allgemein gegen Gewalt im Namen von Religion demonstrierten, sondern wenn sie für verfolgte Menschen einträten: für verfolgte Christen, Jesiden und andere Minderheiten in ihren Herkunftsländern; für deren Religions- und Meinungsfreiheit; für das Recht auf Wechsel des religiösen Bekenntnisses auch vom Islam zu einem anderen Glauben. Erst dann erschiene mir glaubhaft, dass sie wirklich angekommen sind in unserer freiheitlichen Gesellschaft.

Aber – so wünschenswert dies wäre – unsere Aufgabe wäre es, hinzuschauen, wo es Orte mangelnder Religionsfreiheit (Flüchtlingsunterkünfte, manche Schulen etc.) gibt und dies nicht durch Wegschauen zuzulassen. 

Sonn- und Feiertage nur noch als Vergnügungspausen?

2. Eine Anfrage an uns selbst als Aufnahmeland hat der schon genannte Thomas Sternberg formuliert und betrifft unsere Sonn- und Feiertagskultur. Der Ursprung von Festtagen liegt in allen menschheitlichen Kulturen ausnahmslos in Religion und Kult. Sie markieren Zeiten, die ausschließliches Eigentum der Götter sind. Der Tempel ist der Ort, die Festtage sind die Zeiten, die der Nutzung für die menschlichen Bedürfnisse und menschliches Gewinnstreben entzogen sind. Als Tage gemeinsamer kultischer Feier sind sie daher auch Tage der Arbeitsruhe – nicht als ihr Hauptsinn, wohl aber als willkommener Nebeneffekt.

Was für die heidnischen Kulturen gilt, ist ohne Abstriche auf den jüdisch-christlichen Kulturraum übertragbar. Die Rhythmisierung der Zeit in sechs Arbeitstage und den Sabbat bzw. Sonntag als „Tag des Herrn“ ist genuin biblisches Erbe und in anderen Kulturen unbekannt. Auch die übrigen Feiertage (außer 1. Mai als Tag der Arbeit und der 3. Okt. als Tag der deutschen Einheit) sind christlichen Ursprungs. Sie sind es geworden, weil sie über Jahrhunderte hinweg gläubig und in miteinander gefeierten Gottesdiensten festlich begangen wurden.

Heute ist die Frage: Wie lange wird es wohl möglich sein, die Festtagshülle aufrecht zu erhalten, wenn sie vom Festtagsinhalt mehr und mehr entleert ist? Für gut 90 Prozent der Bevölkerung unseres Landes spielt an Sonn- und Feiertagen der christliche Festgehalt so gut wie keine Rolle mehr. Im Grunde sind sie auf die Bedeutung von „Arbeitspausen“ reduziert, die ihrerseits der Freizeitindustrie dienen. In einer auf diese Weise total gewordenen Arbeitswelt sind sie zu Freizeitoasen geschrumpft, deren Hauptzweck ist, wieder fit zu werden für die Erwerbsarbeit und die Generierung weiterer Wirtschaftskraft.

Ob es uns irgendwann zu dämmern beginnt, welch furchtbare Verarmung es für eine materiell so reiche Gesellschaft wie der unseren ist, das christliche Erbe unserer Kultur für das „Linsengericht“ von Arbeit und Vergnügungspausen geopfert zu haben, weiß Gott allein. Armes reiches Deutschland!

Pfr. Bodo Windolf
aus: "Gemeinsam". Pfarrbrief der Kath. Pfarrei Christus Erlöser München-Neuperlach, Winter 2017/2018. www.christus-erloeser.de, In: Pfarrbriefservice.de

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Text: Pfr. Bodo Windolf, www.christus-erloeser.de
In: Pfarrbriefservice.de