Pate werden ist nicht schwer, Pate sein ...

Das Patenamt ist doppelbödig: Ehre und Überforderung zugleich. Ehrlichkeit hilft, meint der Autor Andreas Bell.

Zwei Sorten von Verwandten gibt es: Die einen würden sich nach der Geburt eines Kindes ganz furchtbar über die Frage freuen, Pate zu werden. Die anderen fürchten nichts mehr als das.

Das Patenamt ist doppelbödig: Ehre und Überforderung zugleich. Denn es ist ja nicht damit getan, bei der Taufe neben den Eltern zu stehen und auf Fragen des Geistlichen ein paar Mal "Ich glaube" oder "Ich widersage" zu antworten. Das Leben als Pate fängt danach ja überhaupt erst an. Bald mutiert der Pate zum Babysitter, muss zum Geburtstag und zu Weihnachten sorgfältig ausgesuchte Geschenke abliefern, muss sich jedes Mal freuen, wenn er das Kind sieht, und es sogleich auf den Arm nehmen, egal wie der Goldschatz sabbert oder schreit. Der Pate ist verpflichtet zur Liebe um den Preis der Selbstaufgabe. Gut, die goldene Uhr zur Kommunion lässt sich noch besorgen, und das kann sogar Spaß machen. Da steht ja der Pate mal wieder eine Stunde im Vordergrund. Überhaupt ist sonntags das Patenamt einfacher als im richtigen Leben.

Aber da wäre noch eine Kleinigkeit. Der Pate verspricht ja, sich um die geistliche Entwicklung des Kindes zu sorgen. Und das, wo ihm vielleicht selber schon vor Jahren das Beten fremd geworden ist, der Gottesdienstbesuch nachgelassen hat und der Papst unendlich weit weg wohnt. Was soll er dem heranwachsenden Kind sagen, das im Erstkommunionunterricht von Tücherlegen, Brotbacken und Jesus-ist-der-Freund-der-Kinder-Geschichten gelangweilt wird? Hier taucht der Pate endgültig ab und nimmt dabei sein schlechtes Gewissen mit, dass er gerade jetzt von den überforderten Eltern gebraucht wird. Dann lieber eine etwas größere goldene Uhr.

Man könnte sich ja fortbilden. In die Buchhandlung gehen und nach Ratgebern suchen. Irgendwo in einer Ecke, die auch die Buchhändlerin suchen musste, stehen neben ansteckenden Kinderkrankheiten und Ernährungsratgebern auch einige hübsche Taufbücher. Wie man den Paten machen soll, wird aber nur kurz erwähnt und überdies in einem Stil, der wieder das schlechte Gewissen wachruft. Irgendein Gutmensch zählt da mit subtiler Strenge sämtliche Überforderungen auf, die man bislang erlebt hat, aber auch ganz neue.

Es hilft nur der Blick ins Internet. Hier drohen Kirchenrecht und alte Kirchengeschichte des Patenamtes. Diskussionsforen nehmen sich des Themas auch nur ungern an. Aber es verdichtet sich die Gewissheit: Ich bin nicht alleine. Wir sind viele.

Wie geht es weiter? Mögen die Gutmenschen und Oberlehrer schweigen. Mag die goldene Uhr zunächst im Laden bleiben. Vielleicht vorsichtig die Eltern fragen? Um dann zu hören, dass sie selbst nicht wissen, wie man ein vernünftiges Abendgebet spricht? Das wäre mal ein Anfang.

Andreas Bell

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Das Schwerpunktthema für April 2009

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Text: Andreas Bell
In: Pfarrbriefservice.de