Meine erste Krankenkommunion

Nun stehe ich also vor diesem alten Mietshaus. In meiner Hand nichts weiter als der kleine Behälter mit den gewandelten Hostien und meine Notizen zur Krankenkommunion. Ich atme tief durch.

Am Telefon hatte die Dame etwas von „schweren seelischen Nöten“ gesprochen. Ich bin aufgeregt. Die Tür geht auf. Eine kleine, alte Frau begrüßt mich mit müden Augen. Das Gehen fällt ihr sichtlich schwer. Ihr Verstand ist klar und scharf. Wir setzen uns an einen kleinen Tisch im Wohnzimmer. Ich stelle mich vor. Sie beginnt aus ihrem Leben zu erzählen. Von den Schicksalsschlägen der jüngsten Zeit. Den zerbrochenen Beziehungen. Den Schuldvorwürfen.

Ich höre einfach nur zu. Frage nach. Staune immer mehr über die Lebenskraft einer kranken, gebeugten Frau. Ein ganzes Leben scheint auf. Auf dem alten Klavier ein Hochzeitsbild in schwarz-weiß. Die Braut strahlend schön. Daneben – viele Jahre später – die rüstige Oma, die den Enkel badet. „So, nun haben Sie aber auch noch etwas mit mir vor“, beendet die Dame resolut ihre Erinnerungen. Wir feiern zusammen die Krankenkommunion. Lesen das Evangelium. Beten gemeinsam.

Beim Empfang der Kommunion geschieht etwas. Was ist es? Rührung? Ein Erinnern? Eine versteckte Träne? Ich weiß es nicht. Aber ich werde es nicht vergessen. Ein letztes Gebet. Der Segen. Wir klären den nächsten Besuch, verabschieden uns. „Heute werde ich viel leichter schlafen“, lacht die alte Dame, als ich hinausgehe. Doch ich bin es, der ganz leicht die Treppe hinunterschwebt. Reich beschenkt.

Peter Meisel, In: Pfarrbriefservice.de

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Das Schwerpunktthema für März 2018

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Text: Peter Meisel
In: Pfarrbriefservice.de