Je mehr Probleme, desto besser

Es ist Ferienzeit. Und wir sehnen uns nach einer Verschnaufpause mit neuen schönen Erfahrungen. Sollte manches nicht so eintreffen, wie erhofft – ein Trost aus der Hirnphysiologie: Der Mensch braucht Erfahrungen, die unter die Haut gehen, gute wie schlechte, um sein Hirn optimal nutzen zu können. Alles beginnt mit einer Erfahrung. Denn unser Tun und Lassen ist nicht angeboren, sondern hat sich aus Erfahrungen entwickelt.

In Südamerika leben zwei Eselsorten mit unterschiedlicher Erfahrung: Der Hausesel verbringt sein Dasein mit seinesgleichen, umsorgt von Menschen in einem sicheren Stall. Der Wildesel muss sich täglich mühevoll auf Futtersuche begeben, nach Freunden und Partnern Ausschau halten und stets auf der Hut sein, um sich in der Steppe nicht zu verlieren. Wenn der Hausesel an einem Abend kein Futter erhält, gerät er in Panik. Der Wildesel hingegen bleibt ruhig und besonnen. Denn, so sagt ihm die Erfahrung, es folgt ein neuer Tag mit neuem Futter. Also – je mehr Probleme, desto besser! Denn aus der Erfahrung, viele schwierige Situationen bereits gemeistert zu haben, lässt sich entspannter und glücklicher leben.

Der Mensch braucht für sein Wachstum zwei lebensnotwendige Erfahrungen: Die Erfahrung von Freiheit, die es ihm erst ermöglicht, das Leben nach eigenen Talenten und Möglichkeiten zu gestalten. Und die Erfahrung von Geborgenheit, die ihn vertrauen lässt, dass es „da draußen“ jemanden gibt, der ihn in seinen Händen hält. Auch als Wildesel.

Christa Carina Kokol
Quelle: Mutworte, Sonntagsblatt für die Steiermark, www.sonntagsblatt.at, In: Pfarrbriefservice.de

Christa Carina Kokol ist dipl. psychotherapeutische Beraterin in Logotherapie und Existenzanalyse nach Viktor E. Frankl.