„Ich werd‘ dir helfen!“

Kolumne: Zwischenmenschliches

Der Vater der bekannten Kapitänin Carola Rackete, die ihr Flüchtlingsschiff „Sea-Watch“ verbotenerweise im Hafen von Lampedusa ankerte, um die Flüchtlinge an Land gehen zu lassen und deshalb von der Polizei festgenommen wurde, ist mit Recht sehr stolz auf seine Tochter, wenn er sagt: „Sie hat getan, was getan werden muss.“ Dabei ist Helfen das, was das Menschsein ausmacht, was ihn zum Mitmenschen macht. 

Damit wir überhaupt leben und überleben können, brauchen wir notwendig ein Gegenüber. Unsere Existenz ist von Anfang an wesentlich in dieser dialogischen Struktur gegründet. „Dann sprach Gott, der Herr: Es ist nicht gut, dass der Mensch alleine bleibt. Ich will ihm eine Hilfe machen, die ihm entspricht“ (Gen 2,18). Diese zentrale Aussage aus der Schöpfungsgeschichte stellt den Menschen fest in die Lebensweise des Dialogs. Er erfährt sich im lebendigen „Du“ und erlebt sich im bergenden „Wir“. In diesem Gegenüber erfährt der Mensch seine eigentliche Würde, wenn der andere für mich da ist und ich für ihn da sein darf, wenn wir uns so gegenseitig ergänzend helfen. Ja, wir dürfen somit Ebenbild und Ansprechpartner Gottes sein, der selbst Liebe ist, dialogische Hinwendung. Er war, ist und bleibt uns immer ein helfender Gott. Von Johann Wolfgang von Goethe stammt ein Satz im Range einer alten Volksweisheit: „Edel sei der Mensch, hilfreich und gut“. Ein Satz, der uns absolut stimmig und richtig erscheint. 

Wie sollen wir helfen?

  • Helfen soll in keinem Falle ein einseitiges, von oben herablassendes, den anderen vorführendes und beschämendes Verhalten sein. Helfen soll auf Augenhöhe stattfinden, ein Geben und ein Nehmen. In jedem altruistischen Verhalten muss immer auch ein Stück Egoismus vorhanden sein. Für jeden, der gerne hilft, soll es sich auch lohnen, geholfen zu haben. 
  • Hilfe darf auf keinen Fall, wenn sie wirklich Hilfe sein soll, dem anderen aufgedrängt werden. Das macht den anderen klein und abhängig. „Eine Hand wäscht die andere“, ist im Grunde genommen eine hilfreiche Balance. „Hilflose Helfer“ gibt es genug. Wer sich selber nicht helfen kann, der drängt dann gerne anderen seine Hilfe auf, als „Wiedergutmachung“ für die Unachtsamkeit sich selbst gegenüber. Und wehe, er lässt sich dann nicht helfen! Daher kommt wohl die Drohung: „Ich werd‘ dir helfen!“ 
  • Auch nicht zu helfen, kann helfen. Abraham Lincoln weist darauf hin, dass man „Menschen nicht auf die Dauer helfen kann, wenn man für sie tut, was sie selbst tun können und sollten." Auch der Heilige Augustinus meint: „Man gibt Almosen, um der Not abzuhelfen, aber nicht, um die Faulheit auf die Weide zu treiben.“ Damit wird sehr deutlich, dass Hilfe immer im Grundsatz auf Hilfe zur Selbsthilfe angelegt ist. Wenn ein Alkoholkranker mich um „Hilfe bittet“, dann sollte ich ihm nicht Suchtmittel verschaffen, auch wenn das in seinem Sinne „Hilfe“ wäre. Besonders in der Sucht bedeutet, „nicht zu helfen“ im Sinne von keine Suchtverlängerung zu begünstigen, für den Alkoholkranken eine echte Hilfe. Henry Ford sagt: „Das Geben ist leicht; das Geben überflüssig zu machen, ist viel schwerer." 

Stanislaus Klemm, Dipl. Psychologe und Theologe, In: Pfarrbriefservice.de

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Text: Stanislaus Klemm, Dipl. Psychologe und Theologe
In: Pfarrbriefservice.de