„Die Bibel lebt davon gelesen, meditiert und ‚durchbetet‘ zu werden“

Fragen an den Vorsitzenden des Leitungsgremiums zur Revision der Einheitsübersetzung, Altbischof Joachim Wanke

Redaktioneller Hinweis: Der Hinweis (s.u.) auf „Bibel und Kirche“ als ursprüngliche Quelle ist bei Veröffentlichung des Interviews mit abzudrucken.

Über welche Neuerungen freuen Sie sich bei der Einheitsübersetzung?

Altbischof Wanke: Die revidierte Fassung der Einheitsübersetzung bringt erfreulicherweise mehr Annäherung an die biblischen Originalsprachen. Das bedeutet sicher zunächst eine gewisse Fremdheit, bringt jedoch andererseits an vielen Stellen den Bildreichtum und die Anschaulichkeit dieser Texte neu zum Leuchten. Die Revision will zum Zuge kommen lassen, was im Text steht, und nicht mehr so stark umschreiben, was gemeint ist. Ein Beispiel: Die Emmausjünger werden Lk 24,25 vom Auferstandenen nicht deswegen getadelt, weil sie die alten Verheißungen (intellektuell) nicht „begriffen“ hätten, sondern weil „ihr Herz zu träge“ zum Glauben sei, wie es im griechischen Text heißt. Die Metapher „ein träges Herz haben“ wird durchaus auch heute verstanden.

Als hilfreich werden hoffentlich die Nutzer der revidierten Bibelausgabe auch die überarbeiteten Einleitungen und die auf den neusten Stand gebrachten Übersichten, etwa die Zeittafel zur biblischen Geschichte empfinden. Zudem gibt es so manche Einzelstellen, deren Veränderung Kehrtwenden im theologischen Denken signalisieren: Etwa wenn Maria gegenüber Marta nicht mehr „das Bessere“ erwählt hat, was in der Frömmigkeitsgeschichte eine fatale Einschätzung des Ordensstandes als „Christentum 1. Klasse“ gegenüber den „Weltchristen“ befördert hat. Und wenn Röm 11,15 gegenüber den Juden nicht mehr von "Verwerfung" spricht, sondern von ihrer (vorläufigen) „Zurückweisung“, zeigt das deutlicher, dass die Treue Gottes zu seinem Bund mit Israel nicht aufgehoben ist.

Welche Übersetzung muss ab jetzt im Gottesdienst gelesen werden?

Altbischof Wanke: Die derzeit benutzten neun Mess-Lektionare mit der bisherigen Einheitsübersetzung bleiben in Gebrauch, bis demnächst die Neuausgaben vorliegen. Das Lektionar für den Jahreskreis 2019 soll zum Jahresende 2018 zur Verfügung stehen. Weitere Ausgaben liturgischer Bücher werden dann nach und nach den revidierten Schrifttext übernehmen. Die alte Einheitsübersetzung ist ja gottlob nicht „falsch“! Wer weiterhin eine Nähe zum alltäglichen Sprachgebrauch sucht und zudem einen „flüssigen“ Sprachstil bevorzugt, wird persönlich bei der ihm vertrauten alten Übersetzung bleiben wollen. Wer freilich größere Verlässlichkeit in der Nähe zum Urtext haben möchte und sich auch persönlich mit der Textfassung vertraut machen möchte, die demnächst in den Gottesdiensten zu Gehör kommt und in Katechese und Religionsunterricht gebraucht wird, sollte zur revidierten Fassung greifen – auch im Wissen darum, dass es das Vollkommene in dieser Welt nicht gibt.

Was möchten Sie den Menschen, die die Einheitsübersetzung lesen werden, mit auf den Weg geben?

Altbischof Wanke: Die Bibel lebt davon gelesen, meditiert und „durchbetet“ zu werden. Sie will ja ein Lebens- und Glaubensbuch“ für den einzelnen Christen und die Kirche insgesamt sein. Darum ist entscheidend, dass wir mit der Bibel vertraut werden bzw. vertraut bleiben. Das geschieht sicherlich auf vielen Wegen: durch das wiederholte Hören der Schrift im Gottesdienst, durch private und gemeinsame Lektüre, auch durch das Auswendiglernen zentraler Textstellen. Auch ist es hilfreich, eine kommentierte Ausgabe der Hl. Schrift zu besitzen, die auch Nichttheologen auf Sinnzusammenhänge aufmerksam macht und schwierig verständliche Aussagen näher erläutert. Dazu wird das Stuttgarter Bibelwerk in Kürze bewährte Angebote bereitstellen, die dann auf der revidierten Fassung der Einheitsübersetzung basieren.

Altbischof Joachim Wanke, Erfurt, in: Pfarrbriefservice.de

Das Interview mit Altbischof Wanke erschien ursprünglich in „Bibel und Kirche" (2/2017), eine der beiden Mitgliedszeitschriften des Katholischen Bibelwerks e.V., www.bibelwerk.de

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Altbischof Joachim Wanke, Erfurt

Was die Hauptintention der Bibeltexte sein will: in jeder Generation neu die gemeinsame und je einzelne Antwort auf Gottes Anruf, auf seine „Melodie“ hervorzulocken, und zwar hier und heute.

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Der Wortlaut der Bibel wurde neu übersetzt - Interview für den Pfarrbrief

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Text: Altbischof Joachim Wanke, Erfurt
In: Pfarrbriefservice.de