Auf ne Limo

Wenn dich die Gruppe zwingt …

Matthias und Linus sind Freunde seit der ersten Klasse. Mittlerweile sind die beiden 18 Jahre alt. Wohnen an Orten, die 700 km voneinander entfernt liegen. Matthi in Würzburg – Linus in Paris. Sind in unterschiedlichen Lebenssituation – Matthi macht ein FJS in einem Schülerhaus, Linus ein Au-pair bei einer Familie. Doch ihre Freundschaft hält. Wer könnte über Freundschaft besser diskutieren, als die beiden. Ein Gespräch über blöde Witze, Alkohol und Zigaretten und die unterschiedlichen Arten von Gruppenzwang.

Matthi: Vielleicht ist Gruppenzwang im Grunde nur eine extremere Version von Beeinflussung. Dass du dich von deiner Umwelt beeinflussen lässt, ist nicht schlecht. Aber, wenn du in einer Gruppe von Freunden bist und einen gewissen Druck spürst etwas zu machen, ist es keine gesunde Gruppendynamik. 

Linus: Ich würde sagen, dass es unterschiedliche Arten von Gruppenzwang gibt. Es gibt den Gruppenzwang, der aktiv von der Gruppe ausgeht und es gibt den Gruppenzwang, den du dir selber machst. Ich glaube, dass man sich den Gruppenzwang sehr häufig selber macht. 

Matthi: In meinem FSJ bin ich in einem Hort und da wird es mir sehr vor Augen geführt, was Gruppenzwang anrichten kann. Der eine Jugendliche kommt nach draußen, um mit den Kindern Fußball zu spielen. Ich sage zu ihm: „Ey, ein blöder Kommentar und du gehst wieder hoch“. Er spielt total nett mit den Kindern Fußball, lobt sie für gute Pässe, entschuldigt sich sofort, als ihm einmal „scheiße“ rausrutscht. Dann kommen die beiden anderen Jugendlichen, mit denen er befreundet ist und du merkst sofort, wie der Schalter umfliegt und er voll am Rummotzen, am Aufmüpfig-werden und am Beleidigen ist. Ich hoffe für diese Menschen immer, dass sie sich so weit verändern, dass sie es hinbekommen mit Leuten befreundet zu sein, ohne vor diesen Leuten mit ihrer asozialen Verhaltensweise zu protzen. Sonst sehe ich für solche Leute in der Zukunft nur ein Leben ohne Freunde oder ein Leben mit Freunden, aber dafür unter der Brücke. 

Linus: Das ist eine steile Aussage. Eine steile These!

Matthi: Das ist wirklich so. 

Linus: Stopp, ich möchte da kurz reingrätschen. Du sprichst hier von jüngeren Menschen, die sich sehr vom Gruppenzwang treiben lassen, sich beweisen wollen, cool sein wollen. Ich glaube, dass sich das mit der Zeit legt. Ich denke daran, wie zahm manche Leute aus meiner Jahrgangsstufe geworden sind, nur weil sie gemerkt haben, dass das, was sie in der Schule oder im Hort abgezogen haben im echten Leben deutlich schlechter funktioniert. Wir sind nicht alt, aber wir sind ein bisschen älter und ein bisschen reifer. Kennst du das, dass dich der Gruppenzwang in bestimmte Situationen drängt?

Matthi: Ich merke auf jeden Fall, dass eine Gruppe von Menschen immer dümmer ist, als ein einzelner Mensch. Wenn ich in einer Freundesgruppe bin, werden Witze gemacht, die sich hart anhören, aber jeder einzelne weiß, dass sie nicht ernst gemeint sind. Normalerweise ist das kein Problem, aber ich hatte einmal die Situation, die mega beschissen war, weil ich in einer Gruppe war, mit der ich mich super verstehe, die sich aber von einer Seite gezeigt hat, die ich sowas von verwerflich finde. Das war eine Geschichte über ein Mädel, das der eine übel verarscht hat.

Linus: Oh ja, die Geschichte kenne ich. 

Matthi: Ich habe mir gedacht: „Ey Leute, das macht man nicht. Das macht man einfach nicht.“ Und: Das ist etwas, das ich nicht vor meinen Freunden erzähle, um mich damit zu profilieren. Das ist etwas, wofür ich mich schämen sollte. Weißt du, wenn der Typ das den Leuten einzeln erzählt hätte, hätten alle gesagt: „Boah, was für ein Idiot.“ Aber, wenn das in der Gruppe erzählt wird, auf die Tour „Boah, schaut mich an. Schaut, was ich Krasses gemacht habe“, dann feiern es alle und lachen darüber. Da merke ich, dass sich in einer Gruppe das Verhalten oft zum Schlechteren verändert. 

Linus: Wenn ich an die Freundesgruppen denke, sind das alles extrem harmlose Menschen, fast zu harmlos. Da wäre man froh, wenn mal ein Witz rauskäme, der ein bisschen schlecht ist.

(Matthi lacht)

Linus: Das sind Menschen, die klare Grenzen haben, denen ihre Grenzen wichtig sind. Aber, selbst in Freundesgruppen, die durch und durch gesund sind, merke ich auch bei mir, dass ich mich in manche Richtungen drängen lasse. Manchmal sind es nur Kleinigkeiten. Zum Beispiel beim Thema Alkohol. Wenn du in einer Gruppe von sechs Leuten bist und alle trinken, dann trinkst du auch. Dann machst du es mit oder bist versuchter zu trinken. Wenn alle sagen würden, sie machen einen Tag ohne Alkohol, ist es relativ unwahrscheinlich, dass du selber trinkst. Natürlich hängt das damit zusammen, was der Antrieb ist. Wenn alle trinken und betrunken herum torkeln, hast du auch keinen Bock nebendran zu sitzen und völlig nüchtern zu sein. Ich finde, das ist ein Beispiel dafür, dass Freunde einen in eine Richtung bringen, auch, wenn sie nichts Schlechtes machen.

Matthi: Klar, Freunde beeinflussen einen auf jeden Fall. Da gehe ich voll mit. Ich glaube, dass Freunde nach deinen Eltern und deiner Erziehung den größten Einfluss auf dich als Person haben. Ich würde sagen, dass sich mein Alkoholkonsum durch meine Freunde verändert hat. Es kommt darauf an, was du vorgelebt bekommst. Wenn ich nur mit Freunden befreundet wäre, die Antialkoholiker wären, wäre ich höchstwahrscheinlich auch Antialkoholiker. Dadurch, dass das nicht so ist, bin ich kein Antialkoholiker. Das ist Gruppenzwang. Gruppenzwang kann aber auch in einer Gruppe entstehen, mit der du überhaupt nicht befreundet bist. Das ist sogar wahrscheinlicher.

Linus: Klar, klar. Je weniger du die Leute kennst, desto mehr machst du dir Gedanken darüber, was sie von dir denken. Wenn du in einer Gruppe von Freundinnen und Freunden bist, die wissen, dass du Antialkoholiker bist, ist es nicht so schwer zu sagen, dass du nichts trinkst, als wenn du in einer Gruppe bist, die davon ausgeht, dass du dir jeden zweiten Tag die Kante gibst. 

Matthi: Hier im Ort in meiner Freundesgruppe würde mich keiner dazu zwingen zu trinken, wenn ich auf einer Feier nichts trinken will. Wenn ich sage: „Ne, heute will ich nicht“, ist das gut und mich wird niemand aufs Abstellgleis stellen oder sagen: „Ey, der ist blöd“. Mit dem Rauchen ist es auch so eine Sache. Wenn in einer Gruppe eine Zigarette herumgereicht wird und du nicht an der Zigarette ziehen willst, solltest du dich trauen können das zu sagen, ohne, dass du Angst haben musst, dass du nicht in der Gruppe angenommen bist. Wenn du dir denkst: „Jetzt muss ich mitziehen, sonst bin ich nicht mehr in der Gruppe drinnen“, würde ich mir Gedanken machen, ob das die richtige Gruppe ist, mit der du verkehrst.

aufgeschrieben von: Ronja Goj, In: Pfarrbriefservice.de

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Text: Ronja Goj
In: Pfarrbriefservice.de