Beten, wenn alles ausweglos erscheint?

Was bringt das?

Wenn eine Situation ausweglos erscheint, heißt es oft „da hilft nur noch beten“. Und vielleicht auf ein Wunder hoffen. Denn die Möglichkeiten, aktiv auf unser oder das Leben anderer Einfluss zu nehmen, sind in solchen Momenten an ihre Grenzen gekommen. Es fällt dann schwer, sich die eigene Machtlosigkeit einzugestehen und annehmen zu können. Das Gefühl von Ohnmacht und Hilflosigkeit habe ich erlebt, als mein Vater plötzlich schwer erkrankte. Eine Therapie war nicht möglich und damit gab es keine Aussicht auf Heilung. Das zu akzeptieren und mit der für unsere Familie schwer zu ertragenden Situation umzugehen, erforderte viel Kraft. „Da hilft nur noch beten“ – doch was hilft Beten in einer solchen Situation?

Viele von uns beten nur dann, wenn sie in Schwierigkeiten geraten. „Not lehrt beten“, sagt ein Sprichwort. Die Erfahrung von Leid und Perspektivlosigkeit löst häufig das Bedürfnis aus, in Form von Bitt- oder Stoßgebeten die eigene Verzweiflung herauszurufen. Wer so betet, geht davon aus, dass es jemanden gibt, der ihn in seiner Not wahrnimmt. Indem ich mich Gott in einer für mich ausweglosen Situation im Gebet öffne, gebe ich meine eigene Machtlosigkeit zu. Und bekenne, dass es einen Unterschied gibt zwischen meinen Möglichkeiten und den Möglichkeiten Gottes. Damit wird das viel bemühte Ideal eines selbstbestimmten Lebens zur Illusion. Denn als betender Mensch bin ich bedürftig: Ich hoffe darauf, dass Gott mich hört, sich mir zuwendet.

Lebendige Beziehung zwischen Gott und Mensch

Große biblische Gestalten wie Abraham und Sarah, Moses und Miriam und nicht zuletzt die Propheten lebten aus diesem Bewusstsein. Für sie war das tägliche Beten die Grundlage ihres Glaubens. Wie hätten Abraham und Sarah ohne Gebet die schwierige Situation ihrer ungewollten Kinderlosigkeit bewältigt? Oder Miriam, die in ihrer Verzweiflung über den drohenden Tod ihres kleinen Bruders Moses diesen in einem Körbchen im Schilf aussetzte, in der Hoffnung, dass er gefunden würde und überlebt? Oder die vielen Propheten, die ihre Kraft für die Verantwortung, die sie den ihnen anvertrauten Menschen gegenüber hatten, aus der regelmäßigen Zwiesprache mit Gott beziehen konnten? Die bekannten Geschichten aus dem Alten Testament erzählen, wie lebendig die Beziehung zwischen Mensch und Gott sein kann – selbst in größter Verzweiflung.

Dass Gott ein persönlicher, dem Menschen zugewandter Gott ist, dafür stehen die Gebete der Psalmen. Lob-, Dank- und Vertrauenslieder, aber auch Klage- und Bittgebete finden sich im Psalmenbuch. Hier bringt der Mensch betend sein ganzes Leben mit allen Sorgen und Nöten, aber auch mit seiner Freude und Dankbarkeit vor Gott zur Sprache: „Du hast mir Raum geschaffen, als mir Angst war. Sei mir gnädig und höre auf mein Flehen.“ Solche im Gebet ausgesprochenen Worte schaffen eine Bindung zu Gott. Diese Bindung kann mich tragen, wenn Situationen unüberschaubar erscheinen. Diese Bindung lässt mich darauf vertrauen, dass ich nicht alleine bin. Sie schützt mich in meiner Verletzlichkeit und bewahrt mich davor zu resignieren. Mein Gebet kann mir so helfen, persönlich Erlebtes und vielleicht schwer zu Ertragendes anders einzuordnen. Und mir dann Kraft für neue Schritte geben. Beten in all seinen Formen – alleine oder in Gemeinschaft, als vorformulierter Text oder mit eigenen Worten gesprochen – stärkt nicht nur unsere Beziehung zu Gott, sondern schärft auch unser Bewusstsein für das, was wir Hoffnung nennen.

Christine Hober
Quelle: Krankenbrief 11/23, www.krankenbrief.de, In: Pfarrbriefservice.de

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Text: Christine Hober, Quelle: Krankenbrief 11/23, www.krankenbrief.de
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